: Ein Buschkrieg ohne Ende
■ In Angola ist die Großoffensive der Regierungstruppen offenbar fehlgeschlagen
Wenn Angola heute den zwölften Jahrestag der Unabhängigkeit von Portugal begeht, so gibt es wenig Grund zum Feiern. Das Ergebnis der letzten Offensive gegen die von den USA und Südafrika unterstützten UNITA–Rebellen zeigt, daß der Krieg gegen die Guerilla kaum zu gewinnen ist. Obschon Luanda den Vorstellungen des Westens mit pragmatischen Wirtschaftsreformen entgegengekommen ist, wollen Bonn und Washington der Zentralregierung finanziell nicht unter die Arme greifen.
Wie Mavinga besteht auch Munhango nur aus einem guten Dutzend ausgebombter Häuser aus der Kolonialzeit. Die Zahl logistischer Stützpunkte der UNITA übersteigt die der Dörfer in Südostangola bei weitem. Der Pressekonvoi passierte auf seiner Reise nur ein halbes Dutzend winziger Bauernsiedlungen, in denen ein paar Familien in Strohhütten leben. Selbst die Flußtäler waren, abgesehen von ein paar vertrockneten Maisfeldern, wie abgestorben. Nicht einmal Wild ist in dem öden Buschland zu Hause. Es läßt sich wohl kaum eine erbärmlichere Gegend finden, um einen Krieg zu führen. Auch UNITA–Chef Jonas Savimbi weiß, daß das von ihm beherrschte Land wertlos ist. Diese Sätze stammen aus einem Reisebericht amerikanischer Reporter, die im Frühjahr dieses Jahres in Begleitung von Guerilleros der UNITA durch den umkämpften Südosten Angolas reisten. Wenige Monate später, zwischen August und Ende Oktober, ist in diesem absolute Hoffnungslosigkeit ausstrahlenden Landstrich die bislang größte konventionelle Schlacht südlich der Sahara in der Geschichte Afrikas geschlagen worden - eine Schlacht, die der Zentralregierung in Luanda vermutlich noch lange zu denken geben wird. Zwar gibt es offiziell bis heute weder Sieger noch Besiegte und erst recht keine unabhängigen Informationen. Doch allein die Dimensionen, in denen der Krieg im ehemals blühenden und rohstoffreichen Angola inzwischen geführt wird, deuten darauf hin, daß die Zentralregierung ihn sich nicht mehr lange wird leisten können. Rund 40.000 angolanische und kubanische Truppen sollen an zwei Fronten rund 28.000 regulären UNITA–Kämpfern gegenübergestanden haben, die Kämpfe wurde zwei Jahre lang vorbereitet. Um die UNITA endgültig zu zerschlagen, hat Angola immer modernere Waffensysteme angeschafft. Westliche Nachrichtendienste schätzen, daß die Sowjetunion in der vergangenen Dekade Waffen im Wert von vier Milliarden Dollar nach Luanda geliefert hat, davon ein Viertel allein im vergangenen Jahr. Der Hauptanteil waren Kampfflugzeuge und Luftabwehrsysteme. So besitzt Angola inzwischen hochmoderne MIG–23–Jäger, Raketeninstallationen der Typen Sam 8 und 9 sowie ein ausgeklügeltes Radarsystem. Die Reagan–Administration wiederum soll für 300 Millionen Dollar Stinger Luftabwehrrake ten und TOW Panzerabwehrraketen auf dem Umweg über Zaire an die UNITA geliefert haben. Wie bereits während der kleineren Offensiven 1985 und 86 hoffte die angolanische Regierungsarmee, während der Trockenzeit, die jetzt zu Ende geht, vor allem zwei Gebiete von der UNITA zurückzuerobern. Zum einen sollte der UNITA der Zugang zu den Diamantenbergwerken, Erdölinstallationen und der strategisch wichtigen Benguela–Eisenbahn linie abgeschnitten werden, zum anderen ging es um die von der UNITA kontrollierte, schon weitgehend zerstörte Stadt Mavinga. Die Regierungstruppen hofften, von Mavinga aus das 270 Kilometer südöstlich gelegene UNITA–Hauptquartier Jamba bombardieren zu können. Doch an beiden wichtigen Fronten wurden die Regierungsverbände zurückgeschlagen. Mit den infrarotgesteuerten Stingerraketen, die von der Schulter gefeuert werden und keine große Zielgenauigkeit benötigen (von den Kubanern werden sie „flechas“ - Pfeile - genannt), haben die UNITA–Soldaten erhebliche Erfolge erzielen können. So wurde am 28.Oktober eine MIG23 Maschine von der UNITA abgeschossen, die beiden kubanischen Piloten befinden sich in Händen der Rebellen und sollen anläßlich der Feierlichkeiten am heutigen Unabhängikeitstag im Busch der internationalen Presse vorgeführt werden. Kriegswirtschaft Bislang hat die MPLA–Regierung die Triumphmeldungen der UNITA nicht dementiert. Wenn es aber stimmt, daß die Regierungstruppen trotz des beispiellosen Materialaufwandes in die Flucht geschlagen wurden, wird dies die Position Südafrikas und der USA in den seit Jahren festgefahrenen Verhandlungen erheblich stärken. Hier fordern die USA und Südafrika einen Rückzug kubanischer Soldaten aus Angola im Tausch für den Rückzug Südafrikas aus Namibia. Angola hat zwar in Gesprächen mit dem US–Afrikabeauftragten Chester Crocker in den letzten Monaten wiederholt einen stufenweisen Rückzug der Kubaner angeboten, doch Pretoria verlangt, daß das kubanische Engagement im UN–Sicherheitsrat verhandelt wird. Bis zum vollständigen Abzug aller ausländischen Truppen und Berater sei an eine friedliche Lösung nicht zu denken, so Außenminister Pik Botha Anfang November. Angolas Regierung ihrerseits ist auf eine politische Lösung angewiesen, denn das Budget wird nahezu ausschließlich über die (sinkenden) Einnahmen aus dem Ölexport finanziert. Die Diamantenindustrie im Nordosten liegt nach zahlreichen UNITA–Attacken darnieder, die Bauern produzieren keine Überschüsse mehr. Wer nicht in die Städte geflohen ist, beschränkt sich auf Subsistenzproduktion, Geld spielt in den ländlichen Gebieten und zunehmend auch in den Städten praktisch keine Rolle mehr. Der Handel wird über Naturaltausch (Gemüse gegen Seife) abgewickelt. Mehr als die Hälfte der im Land verbrauchten Nahrungsmittel müssen heute importiert werden. Das militärische Patt kommt Luanda umso härter an, als die Regierung den Vorstellungen der westlichen Staaten im Wirtschaftsbereich bereits entgegengekommen ist. Frühere Staatsfarmen wie die berühmte Kooperative 4. Februar bei Luanda wurden propagandawirksam privatisiert, das Land an Kleinbauern verteilt. Kleinunternehmer werden ermutigt, Läden oder Manufakturen zu eröffnen und sogar der ehemals verfolgte Schwarzmarkt wird heute offiziell toleriert und akzeptiert. Dazu Lopo do Nacimiento, ein hoher Vertreter der Planungsbürokratie: „Uns interessiert nicht, wem das Geschäft gehört, sondern ob es läuft.“ Allseits bekunden Regierungsvertreter ähnlich wie in China und der Sowjetunion ihr neues Credo der gemischten Wirtschaft und versprechen attraktive Renditen für ausländische Firmen, die bereit sind, im Rohstoffbereich zu investieren. Bonn in Wartestellung Ende Oktober hat sich nun auch die Hoffnung der angolanischen Regierung auf Bonner Entwicklungshilfegelder zerschlagen. Der Besuch von Hans–Dietrich Genscher, der erste eines bundesdeutschen Außenministers übrigens, erbrachte nur, was für das CSU–geführte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vorher schon feststand: „Eine Aufnahme der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist nicht geplant.“ Ein Investitionsschutzabkommen wurde angeregt, und einer Aufnahme Angolas in den IWF will Bonn sich (anders als Washington) auch nicht entgegenstellen. Westdeutsche Nahrungsmittelhilfe erhält Angola, seit es 1982 die Berlin–Klausel anerkannte. Verbal markiert das Auswärtige Amt durch Staatsminister Schäfer zwar eine harte Haltung gegenüber Pretoria: „Es ist notwendig, alle Frontlinienstaaten zu unterstützen, die sich durch die Destabilisierungspolitik Südafrikas in ihrer Existenz bedroht sehen.“ Auch appellierte er an die UNITA, „die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung Angolas und die Familien ganzer Landstriche einzustellen“. Ansonsten will man im Auswärtigen Amt abwarten. An diesem Wochenende bricht Kanzler Kohl nach Mosambik auf, wo die ebenfalls von Südafrika unterstützten RENAMO– Rebellen vor wenigen Tagen ein neues Blutbat angerichtet haben. Was dort von den Grundsätzen des Auswärtigen Amtes übrigbleibt, darf mit Spannung erwartet werden. Hans Brandt/cw/NB
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