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*Üit 50 auf die Rentnerhalde
Ruhrkohle AG streicht 20.000 Arbeitsplätze bis 1995 im Bergbau / IGBE zufrieden mit Anpassungskonzept / „Entsetzen“ auf den Schachtanlagen / Städte sorgen sich um Steuerausfall
Aus Bochum Petra Bornhöft
Unbeeindruckt von einer kleinen Gruppe demonstrierender Frauen und Kinder mit dem Transparent „Keine Zechenschließung, raus aus der Atomenergie“ nahm der Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG (RAG) am Donnerstagabend in Essen die Abbau-Pläne des Vorstandes „zustimmend zur Kenntnis“. Bis 1995 werden vier Zechen geschlossen und 20.000 Arbeitsplätze im größten bundesdeutschen Bergbauunternehmen vernichtet, sofern der Bund „flankierend“ 1,4 Milliarden DM zuschießt. Hinzurechnen muß man den Verlust von mindestens 20.000 bergbauabhängigen Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet.
Das Versprechen der RAG, „keinen Mitarbeiter in den Arbeitsmarkt (zu) entlassen“, erfüllte die IG Bergbau und Energie (IGBE) mit Zufriedenheit. Damit sei die „gewerkschaftliche Hauptaufgabe“, die „notwendigen Kapazitätsanpassungen“ sozialverträglich vorzunehmen, realisiert. Nicht verkneifen konnten sich IGBE-Funktionäre, sich von der kleinen Protestaktion zu distanzieren mit den Worten: „Das müssen die Grünen gewesen sein. Bergleute demonstrieren nicht gegen ihre eigenen Beschlüsse.“
Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte sich die Bonner Kohlerunde unter Beteiligung von Bund, NRW, Saarland, Unternehmen und IGBE darauf geeinigt, die Förderkapazität im Steinkohlebergbau drastisch zu senken. Allein im Ruhrgebiet wird die Produktion um 10 Millionen Jahrestonnen auf 46 bis 47 Millionen Tonnen gedrosselt.
14 von 21 noch bestehenden Zechen im Ruhrgebiet und am Niederrhein nennt das RAG-Anpassungskonzept namentlich. „Deckel auf den Pütt“ heißt es in den kommenden Jahren für die Schachtanlagen Rheinpreussen (Moers), Osterfeld (Oberhausen), Schlägel und Eisen (Herten) und Nordstern (Gelsenkirchen). Dabei soll der Untertage-Betrieb zum Teil aufrechterhalten und die Abbaugebiete in das bestehende, unterirdische System von Verbundbergwerken eingegliedert werden. Im östlichen Ruhrgebiet beabsichtigt die RAG den Abbau zu reduzieren auf „günstigere Lagerstätten“. Ausdrücklich begrüßte die IGBE die Absicht der RAG, die ökologisch heftig umstrittene Nordwanderung des Bergbaus Richtung Münsterland „nicht zu unterbrechen“. Statt zur Schicht zu fahren, wird eine noch unbekannte Zahl von frühpensionierten Bergarbeitern über 50 Jahre demnächst durch die zu „Parks“ umgestalteten Kohlehalden an der Autobahn spazieren. Andere Kumpel erwartet die vielleicht vierte „Verlegung“ auf einen neuen Pütt. Freischichten, Kurz- und Teilzeitarbeit, Überstundenabbau sind weitere Instrumente zur stufenweisen Arbeitsplatzvernichtung. Kein Wort verschwendet die RAG auf die Zahl wegfallender Ausbildungsplätze. Unberücksichtigt von Anpassungskonzepten und Sozialplänen bleiben auch tausende von Beschäftigten bei Fremdfirmen und in der Zulieferindustrie.
Unter den 1.800 Bergarbeitern der Zeche Osterfeld herrscht indes „lähmendes Entsetzen und beängstigende Ruhe“, berichtet Betriebsratsvorsitzender Michael Schwedler. „Wenig überrascht“, „wegen der Übernahme optimistisch“ äußern sich Kumpel der anderen von Schließung bedrohten Bergwerke. Daß sich an Rhein und Ruhr kein Protest rühren wird, dafür haben RAG und IGBE gesorgt.
Generalstabsmäßig vorbereitet informierte das Unternehmen noch Donnerstagnacht Betriebsleiter und Betriebsräte. Öffentlich beruhigte die IGBE, dachte nicht an außerordentliche Betriebsversammlungen und stellte gestern morgen fest: „Die Stimmung ist zwar gereizt, aber nicht so, daß die Revolution ausgerufen würde.“ Wer hätte das wohl erwartet?
Im Rundfunk hoffte IGBE- Chef Heinz-Werner Meyer, „das Ende der Fahnenstange in Sachen Kapazitätsabbau ist nun erreicht“. Die Kohle-Runde indes klammerte das wichtigste kohlepolitische Instrument aus, den 1995 auslaufenden Jahrhundertvertrag, der den Absatz in der Elektrizitätswirtschaft sichert. Sollte es bei der Verstromung der Steinkohle zu größeren Einbrüchen kommen, droht ein weitaus schärferer Arbeitsplatzabbau.
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