: Herne:“Kanal zwischen SPD und DGB verstopft“
Seit fast einem Vierteljahrhundert im Amt, glänzt der Herner DGB-Chef durch Nichtstun / Nun trommelte er als Bürgermeister für den Abbau von Ausbildungsplätzen / Alle Einzelgewerkschaften sprachen ihm das Mißtrauen aus ■ Aus Herne Petra Bornhöft
Herne-1 ringt mit einem politischen Skandal, der den Wirbel um die Einverleibung von Herne-2, einst Wanne-Eickel, fast in den Schatten stellt. Die traditionell herzlichen Verbindungen zwischen SPD und Gewerkschaften sind unterbrochen, auf ganzer Linie. „Von der Wucht der gewerkschaftlichen Vorwürfe überrascht“, zeigt sich die Partei, hat man doch im Machtgefüge der Mehrfach-Funktionäre „seit Jahrzehnten gut gelebt“. Ob Giftmüllsiedlung oder 19,6 Prozent Arbeitslose – in Herne befördern bis zu 80 Prozent der WählerInnen sozialdemokratische Gummibäume oder Gewerkschafter in den Stadtrat.
So vor etlichen Jahren auch Georg Opalka (57), der sich seit fast einem Vierteljahrhundert DGB- Kreisvorsitzender nennt. Doch im November hielt Bürgermeister Opalka im Rat eine emphatische Rede für den Abbau von Arbeitsplätzen und die Streichung von fast 50 Prozent der Ausbildungsplätze bei der Stadtverwaltung. „Das wird nicht verziehen“, heißt es in der Bezirksverwaltung der ÖTV, schließlich fordern Gewerkschaften die „Ausbildung über den Bedarf hinaus“. Auf Antrag der ÖTV Herne sprachen die 15 Einzelgewerkschaften des DGB ihrem Vorsitzenden einstimmig das Mißtrauen aus. Die ÖTV kündigte ihre Mitarbeit im Kreisvorstand auf, will ihre Mitgliedschaft im DGB ruhen lassen – juristisch ein Unding, politisch das (langfristige) Ende des Vorsitzenden. Der nordrhein-westfälische DGB- Vorsitzende Dieter Mahlberg eilte zur Krisensitzung nach Herne und zeigte sich „bestürzt“. Derzeit führt die nach außen schweigsame DGB-Spitze vor Ort „sehr intensive Gespräche, um eine für alle Seiten befriedigende Lösung zu finden“. Denn das Problem des Doppelmandates hat Dimensionen, die weit über Herne hinausreichen. Je größer die wirtschaftliche Krise und Finanzknappheit der Kommunen, desto offensichtlicher der Widerspruch zwischen parlamentarischen Sparkommissaren und gewerkschaftlichen Interessen. Ein Gegensatz, der Hernes Bürgermeister nicht im Magen liegt.
Nachdem die mit absoluter Mehrheit regierende SPD im letzten Jahr die komplette Verwaltungsspitze der Dezernenten hatte auswechseln lassen und von dem ebenfalls neuen Oberstadtdirektor ein Sparkonzept für den defizitären Haushalt verlangte, „ist die Welt in Herne eine andere“, klagen Personalräte. Sparen auf Deubel komm raus gegen Bürger- und Arbeitnehmerinteressen lautet die SPD-Devise gegen einen Fehlbetrag von zehn Millionen im Haushalt. Die meisten Gewerkschafter und Betriebsräte im Stadtrat hoben schweigend ihre Hand, nicht so der DGB-Kreisvorsitzende.
Insider halten Opalka für doof. „Jeder andere hätte sein Recht auf eine Pinkelpause während der Debatte wahrgenommen“, so die Grünen. Auch die SPD-Fraktion bescheinigt, daß es „kein zwingendes Muß für diese Rede gegeben hat“. Ob der Gewerkschafts chef sich nun gewerkschaftsschädigend verhalten mußte oder wollte, verrät er nicht. Opalka tut derzeit, was er immer getan hat: Er schweigt, verschanzt sich hinter der Vorzimmerdame. „In Absprache mit dem DGB-Landesbe zirk geben wir keine Stellungnahme ab“, wiederholt die Stimme. Nachrichtensperre oder „Arsch auf Grundeis“ – wie man will.
In Gewerkschaftskreisen ist der Mann schon lange unbeliebt, weil er den Hintern nicht hochkriegt. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit verlegte er das DGB-Büro aus der Innenstadt an die Peripherie. Dort hielt er den Schreibtisch fest, verteilte Briefe von oben, mied Ver anstaltungen und quälte sich allenfalls mal zu einer Kranzniederlegung am Anti-Kriegstag.
Richtig aktiv wurde Schorsch erst in den letzten Monaten, nach dem Stellenplan-Statement. Als die ÖTV ihn in einem internen Schreiben angriff, raste er mit dem Brief zur SPD-Fraktion. Die keifte über ihren OB öffentlich gegen die ÖTV. Das erboste wiederum den hauptseitig stillen Verein, der nun plötzlich alte Animositäten gegenüber der IGM – sie hatte Opalka auf den Sessel gesetzt und war enttäuscht über dessen Inaktivität – begrub.
Mit einer „Ehrenerklärung“ für ihren Genossen vergiftete die SPD letzte Woche restlos das Klima. „Es ist unerträglich, wenn die Kritik die Menschenwürde verletzt und die berufliche Existenz aufs Spiel setzt“, wenns denn wahr wäre. Sofern der ungeliebte Gewerkschaftsboß nicht freiwillig geht, sichert das Grundgesetz des Parlamentariers Job beim DGB. Der dürfte indes unangenehm werden. Von Opalka organisierte Veranstaltungen finden mittlerweile in leeren Sälen statt. Ein Boykott der lokalen 1.Mai- Demonstration ist im Gespräch. Den SPD-Ortsvereinsvorsitz hat der Multifunktionär unterdessen auch verloren. Ob diese Geste von der Basis die enttäuschten Liebhaber wieder zusammenführt, bezweifeln ÖTV-Mitglieder: „Der Kanal zwischen SPD und Gewerkschaften ist verstopft.“ Das ist für eine typische Ruhrgebietsstadt in der Tat eine Sensation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen