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Israels Furcht vor der Selbstverwaltung

■ Reaktion auf Massenrücktritte / Israel befürchtet Schaffung einer alternativen palästinensischen Verwaltung / Zwei Gemüsemärkte in der Westbank geschlossen / Wieder ein Toter und vier teilweise Schwerverletzte in den besetzten Gebieten

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Zum ersten Mal seit Beginn des palästinensischen Aufstands haben die israelischen Besatzungsbehörden am Montag „bis auf weiteres“ eine fünfstündige nächtliche Ausgangssperre über den gesamten Gaza–Streifen verhängt. Die Maßnahme soll „feindliche Elemente“ daran hindern, sich zwischen 22 Uhr und 3 Uhr morgens frei zu bewegen. Mit den jüngsten Maßnahmen - eine Reaktion Israels auf die Rücktritte palästinensischer Polizisten - soll das Leben der Bevölkerung weiter erschwert werden, in der Hoffnung, damit früher oder später einen Spaltpilz in die Aufstandsbewegung zu pflanzen. Nach den Rücktritten der Polizisten - in Gaza quittierten am Montag abermals 150 den Dienst - hat die Führung des Aufstands jetzt die von Israel eingesetzten Mitglieder der palästinensischen Ortsräte ebenfalls aufgefordert, ihre Ämter niederzulegen. Diese Schritte des zivilen Ungehorsams und der Verweigerung von Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht verstärken in Regierungskreisen den Ruf nach einer scharfen Reaktion. „Wenn die Palästinenser es schaffen, alternative Dienste und eine alternative Selbstverwaltung an die Stelle der israelischen Verwaltung auf die Beine zu stellen, dann ist das nicht nur ein Akt der Abkehr, sondern eine wahre Revolution“, kommentierte ein hochrangiger Mitar beiter der israelischen Zivilverwaltung für die besetzten Gebiete die jüngsten Ereignisse. Während ein erneuter Generalstreik am Dienstag fast das gesamte öffentliche Leben in der Westbank und dem Gaza–Streifen lahmlegte, haben israelische Soldaten erneut versucht, den Ausstand von Geschäftsleuten zu brechen. Am Montag erzwangen Sol daten die Schließung der Obst– und Gemüsemärkte in Jericho und Jenin (Westbank), um alternative Einkaufsmöglichkeiten zu unterbinden. Israel hatte bereits am Wochenende zu Wirtschaftssanktionen gegriffen, als die Belieferung arabischer Tankstellen mit Treibstoff untersagt worden war. Zahlreichen Produktionsbetrieben oder Handwerksläden droht nun über kurz oder lang die Schließung. Eine Gruppe von Leitern der palästinensischen Handelskammern in den besetzten Gebieten forderten am Montag in Jerusalem das Ende der kollektiven Bestrafung, den Rückzug der Besatzungsmacht aus den Städten sowie eine Beendigung der Repressalien gegen Ladeninhaber. Unterdessen wurde auch am Montag wieder ein Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen. Der 22jährige hatte in Deir Jarir bei Ramallah (Westbank) an einer anti–israelischen Demonstration teilgenommen. Vier weitere Palästinenser wurden durch Schüsse zum teil schwer verletzt, als es in Kalkiliya zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Soldaten kam.

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