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Werner Höfer, ein Journalist Himmlers?

■ Das Kölner Landgericht befindet heute über den Vorwurf „Schreibtischtäter“ im Rechtsstreit Werner Höfer gegen Spiegel / Mutmaßungen, daß Höfer mehr war als ein „normaler“ Nazijournalist / War er Vertrauensmann des Sicherheitsdienstes von Himmler?

Von Götz Aly

Köln (taz) - Heute versucht Werner Höfer, dem Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel durch ein Kölner Gericht die Behauptung, er sei ein Schreibtischtäter gewesen, verbieten zu lassen. Der Spiegel könnte dabei in einer Weise Recht behalten, die er bisher nicht ahnte und der seine bisherige Beweisführung nicht genügt. Denn Höfer war in den Jahren 1942 bis 1944 kein gewöhnlicher, am langen Arm der Reichspressekonferenz mitlaufender Journalist unter vielen. Es fragt sich in der Tat, warum Werner Höfer für Redaktionen schrieb, „die er nie von innen sah“, und daß er hinsichtlich Zeit, Ort und Themen seiner Veröffentlichungen so seltsam unregelmäßig publizierte. Es fragt sich auch, wie sich seine unübersichtlichen, aber privilegierten Beschäftigungsverhältnisse in der Kriegszeit erklären: Bei der halbmilitärischen Organisation Todt und als Pressereferent im Rüstungsministerium setzte man ihn vielleicht nur ein, um ihn leicht „unabkömmlich“ zu stellen, unabkömmlich für andere Zwecke. Am plausibelsten läßt sich seine Tätigkeit dann erklären, wenn man annimmt, daß er nicht als normaler Nazijournalist unter der Regie des Propagandaministeriums, sondern als Vertrauensmann des Sicherheitsdienstes (SD) Heinrich Himmlers arbeitete. Daß prominente NS–Journalisten einschließlich des späteren Chefredakteurs von Christ und Welt in dieser Weise doppelgleisig arbeiteten, steht außer Frage. Was sagen die Dokumente im Fall Höfer? Was sagen sie auch dann, wenn die Protokolle seines Entnazifizierungsverfahrens verschwunden bleiben, auch dann, wenn deutsche Stellen den Zugang zu der im Document Center vorhandenen Akte Werner Höfer seit drei Monaten ohne Begründung sperren? SD–Berichte Die geheimen „Meldungen aus dem Reich“, vom Sicherheitsdienst regelmäßig erstellt, um die Stimmung der deutschen Bevölkerung zu ergründen und zugleich um selbst Politik zu machen, erwähnen in der von Heinz Boberach herausgegebenen und gekürzten Fassung Höfer einmal namentlich und geradezu kollegial: Sein Artikel „Der Atlantikwall steht“, am 13. April 1943 in verschiedenen Zeitungen und unter verschiedenen Überschriften veröffentlicht, habe „allgemein beruhigend gewirkt“. Aber auch bei anonymen „Meldungen des Sicherheitsdienstes“ fällt eine bemerkenswerte zeitliche Parallelität zu den Artikeln Höfers auf. Als der SD am 20. und 27. September 1943 beunruhigende Versorgungsengpässe im bombenzerstörten Bremen meldete, spendete der „Berliner Feuilletonist“ Höfer drei Tage später in den Bremer Nachrichten, und ganz gezielt nur dort, Trost: „Wenn heute ein Volksgenosse an seinem Werkplatz oder im Luftschutzkeller schwach zu werden droht, so mag er bedenken, daß es nur noch eine überseh bare Spanne durchzuhalten gilt...“ Als sich gleichzeitig in den „Meldungen aus dem Reich“ die Klagen der aus den bombengefährdeten Städten Evakuierten über die schlechte Lage mit Haushaltsgegenständen häuften, schrieb Höfer, daß diese „Umbettung“ (!), wenn auch unbeabsichtigt, ihr Gutes hätte: „als Gesundbad gegen Zivilisationskrankheiten“. Ende Juli/Anfang August 1944 konstatierten die SD–Berichte mehrfach, wie sehr die deutsche Bevölkerung die Vertröstung auf die „Vergeltungswaffen“ „V1“ und „V2“ als „Bluff“, „Baldriantropfen“ und „großes Geschrei“ registrierte. Am 13. August plazierte Höfer, verbunden mit einem gleichzeitigen Rundfunkinterview, auf der ersten Seite der Wochenzeitung Das Reich einen Artikel über „Neue Waffen“ und die „echte Erfindertat“ der deutschen Konstrukteure, die mit ihren „ersten Entwürfen für die erste Vergeltungswaffe bereits das Richtige treffen“. Den gewöhnlichen deutschen Journalisten wurde zur gleichen Zeit durch die zentralen Presseanweisungen „äußerste Zurückhaltung bei Berichten über V1 und V2“ auferlegt. Der Fall Kreiten Am 3. September 1943 verurteilte der Volksgerichtshof in einem auch dort unüblichen Schnellstgerichtsverfahren den seit vier Monaten als eine Art Geisel für das Wohlverhalten der Berliner Intelligenz inhaftierten Karlrobert Kreiten. Am 7. September wurde Kreiten hingerichtet. Am 15. Sep tember veröffentlichen deutsche Zeitungen eine kurze Notiz über die Vollstreckung und die Urteilsbegründung, am 16. September berichteten die „Inlandsmeldungen des SD“: „Die in den letzten Tagen in der gesamten deutschen Presse veröffentlichten Notizen über die Todesurteile, die gegen Defätisten gefällt wurden, finden in allen Kreisen immer stärkere Beachtung. Es sei erfreulich, (...) daß man nicht nur den kleinen Mann bestrafe.“ Vier Tage später veröffentlichte Höfer zur propagandistischen Einbettung der Ermordung Kreitens seinen inzwischen berühmt gewordenen Artikel. Entsprechend dem SD–Bericht hob er ab auf die Stellung vom „kleinen Mann“ und prominenten Künstler „im Gefüge des Volksganzen“. Die Hinrichtung des „ehrvergessenen Künstlers“, dem so wenig verziehen werde wie „dem letzten gestrauchelten Volksgenossen“, stellte den vom Sicherheitsdienst angestrebten sozialen Burgfrieden wieder her. Höfer: „Der berühmte Mann und der namenlose Arbeiter, die in der abendlichen U–Bahn nebeneinander sitzen - sie können sich ohne Vorbehalt grüßen.“ Eine deutsche Vorbehaltlosigkeit, die Werner Höfer auf den Leichnam Karlrobert Kreitens zelebrierte. „Kürzlich“, so schrieb Höfer düster drohend in diesem Artikel, „ist in einem Kreis Berliner Künstler in kameradschaftlichem Ton ins Gewissen geredet worden, sich durch einwandfreie Haltung und vorbildliche Handlungen der Förderung für würdig zu erweisen“. War Höfer bei diesem Treffen dabei? Oder formiert er hier eine präzis adressierte Drohung? Jedenfalls ein ungewöhnlicher Ton auch für einen Journalisten damals. Der eindeutige Zweck des Mordes an Karlrobert Kreiten war die Generalprävention. Dieser Zweck konnte erst durch den Artikel Höfers erreicht werden. Während die Reichspressekonferenz diese Hinrichtung mit keinem Wort erwähnte, sondern nur eine zentrale Kurzmeldung über die Deutsche Nachrichtenagentur herausgegeben wurde, schrieb Höfer auf der Linie des Sicherheitsdienstes die speziell auf Berlin gemünzte Nachbetrachtung zur Ermordung Kreitens, einer Tat, deren politische Ziele erst am Schreibtisch durch Werner Höfer vollendet wurden. Höfer schrieb seine Artikel in deutlicher Parallelität zu den Lageberichten des Sicherheitsdienstes. Zugleich galten für ihn die zentralen Presseanweisungen des Reichspropagandaministeriums offenbar nicht. Er behandelte Themen, die den einfachen Nazischreibern verboten waren. Er war ein Mann für besondere Aufgaben. Daß nach 1945 Werner Höfer mit Hilfe der britischen Besatzungsmacht so reibungslos einen Neuanfang fand, ist gerade kein Hinweis darauf, daß er nur jenes „ehrgeizige Kerlchen“ (Höfer) war. Viel eher ist es ein zusätzlicher Beleg für seine SD–Mitarbeit, denn die Briten hatten nach 45 ein erwiesenes Interesse, ehemalige SD–Mitarbeiter zumindest der unteren Ränge für sich zu gewinnen.

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