: „Die eierlegende Wollmilch–Sau“
■ Der Präsident des Deutschen Patentamtes, Erich Häusser, befürwortet den Patentschutz auch auf Pflanzen und Tiere / „Das ganze Leben ist ein Risiko“
taz: In den USA ist - erstmals weltweit - eine gentechnisch veränderte Maus patentiert worden. Wäre diese Patentierung auch in der Bundesrepublik möglich? Erich Häusser: Prinzipiell wäre dies in gleicher Weise möglich. Es sind allerdings Züchtungen von Pflanzensorten und Tieren ausgeschlossen, wenn sie im wesentlichen auf biologischen Verfahren beruhen. Aber alles, was auf technischen Verfahren beruht, z.B. auf Laser, Infrarotbestrahlung oder sonstigen instrumentellen Hilfen, ist prinzipiell patentierbar. Das heißt, daß der gesamte Bereich der Gentechnik mit seinen Erzeugnissen auch Patente erhält? Das ist möglich. Allerdings können Sie nicht die Tierart, sondern nur das Verfahren patentieren lassen. Das wäre also ein Unterschied zu den USA, wo jetzt die neue Mäuse–Rasse als solche patentiert worden ist. Bei uns wäre die Maus nur mittelbar geschützt als Produkt eines patentierten Verfahrens. Es gab in der Bundesrepublik schon einige spektakuläre Patente, wie etwa für die Tomoffel? Das ist eine Kreuzung von Tomate und Kartoffel, und die ist selbstverständlich bei uns patentiert worden. Die Gentechnik–Enquete–Kommission hat sich gegen die Ausdehnung des Patentschutzes auf belebte Natur ausgesprochen, weil ein Patent auf technische Dinge zugeschnitten ist. Hier wird also ethisch argumentiert und vor einer Verdinglichung des Lebendigen gewarnt. Ich halte das für eine hinterwäldlerische Betrachtung. Das entspricht auch nicht dem Stand der Dinge. Wir hatten schon 1969 eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die sich mit der Züchtung einer roten Taube befaßte. Damals wurde sehr gründlich dargelegt, daß auch die belebte Natur der Technik zuzurechnen ist. Wir sind deshalb auch der Meinung, daß der Ausschluß des Patentschutzes für biologische Verfahren der Züchtung von Pflanzen und Tierarten ein verfehlter Eingriff des Gesetzgebers ist. Sie wollen also eine generelle Freigabe der Patentierung für sämtliche Züchtungs– und Herstellungsverfahren von Tieren und Pflanzen? Ich plädiere nicht für eine unbeschränkte Freigabe, aber für klare Regelungen, die alle Patente zulassen, solange sie nicht sittenwidrig sind und gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Außerdem sollte ja die gentechnische Entwicklung nicht geheimgehalten werden. Wenn die Dinge öffentlich werden, weil sie wie alle Erfindungen von uns veröffentlicht werden, würde die ganze Szene wesentlich transparenter. Die Patentierung wäre also ein Instrument, diesen Bereich zugänglich und überschaubar zu machen. Aber die Patentierung der Natur bedeutet doch auch ihre Inbesitznahme und Monopolisierung. Neugeschaffene Natur als Eigentum von Firmen, die dann die Bedingungen diktieren, unter denen man ihre Super–Mäuse, Hamster usw. benutzen darf. Das ist im technischen Bereich doch auch gang und gäbe. Und wenn die hohen Aufwendungen, die für den Fortschritt der Bio– und Gentechnologie notwendig sind, dadurch ausgeglichen werden können, daß für eine gewisse Zeit den Firmen Ausschließlichkeitsrechte für die Ergebnisse gewährt werden, dann ist das doch nur nützlich für den technisch–naturwissenschaftlichen Fortschritt. Wenn wir mal 20 Jahre weiter denken: Dann gibt es also die Turbo–Melone der Firma Hoechst, das High–Tech–Schwein von Schering und eine brandneue Superkuh von General Motors, die statt Milch gleich Joghurt produziert. Und vielleicht gibt es die eierlegende Wollmilch– Sau. Es wird hier spektakuläre Entwicklungen geben und es muß sie geben. Die Biotechnolgie kennt schon heute eine Reihe von Entwicklungen, die die Menschheit weiterbringen. Es ist nun mal erstrebenswert, eine kälteresistente Getreidesorte zu entwickeln oder Mikroorganismen zu konstruieren, die auf biologische Weise gefährliche Gifte beseitigen. Und Sie bekommen hier nie ein flaues Gefühl in der Magengegend, wenn sie an die Risiken denken und an die Eigendynamik dieser Entwicklung. Also: Wo soll das alles enden? Natürlich gibt es hier eine große Verantwortung des Staates und der Gesellschaft. Aber wir sollten die Dinge nicht behindern, sondern fördern und später regulierend die Verwertung der gentechnischen Errungenschaften begleiten. Natürlich gibt es Grenzen, wie etwa Manipulationen am Menschen. Aber die Patentierung menschlicher Gene und ihre Verwertung steht doch fast zwangsläufig am Ende der Kette. Wäre es denn so schrecklich, wenn dadurch bestimmte Krankheiten beseitigt werden könnten. Sie können nicht das eine haben, ohne auf der anderen Seite gewisse Risiken in Kauf zu nehmen. Wir landen also wieder mal beim Restrisiko. Das ganze Leben ist ein Risiko. Und Risiken sind immer mit der Technik verbunden. Das Gespräch führte Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen