Mit der Fernwärme auf Du und Du: Sommerthema Heizung
■ Bei der Fernwärme gehen nicht nur die Rohre um viele Ecken
Ende April gab die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) eine Erfolgsmeldung ab: Durch einen „in den letzten Jahren forcierten Ausbau der Fernwärme“ läge der Anteil der umweltfreundlichen Energie am Wärmemarkt nun bei 8,5 Prozent. Schaut man sich die Meldung der AGFW, die der Vereinigung deutscher Elektrizitätswerke nahesteht, genauer an, wird es bescheidener: „Der Fernwärmeausbau geht weiter, wenn auch vermindert.“ Die Kapazitäten wurden 1987 um etwa zwei Prozent erweitert. Viele Energieversorgungsunternehmen (EVU) planten noch bis etwa 1985 einen zügigeren Ausbau der zentralen Fernwärmeversorgung. In diesem Verfahren wird meist der Wasserdampf, der in Heizkraftwerken Turbinen antreibt, durch unterirdische Rohre zu den Verbrauchern geleitet. Dort sorgt er für Heizung und warmes Wasser. Der „Wirkungsgrad“ der eingesetzten Energie verdoppelt sich. Das Tempo des Ausbaus der Rohrnetze blieb im letzten Jahrzehnt gleichmäßig langsam und lag bei rund 400 Kilometern pro Jahr. Die AGFW macht dafür vor allem die Marktpreise für Gas und Öl verantwortlich. Tatsächlich liegen die eigentlichen Gründe für den schleichenden Fortschritt aber bei der hausgemachten Energiepolitik: Viele EVU stellten in einem relativ kurzen Zeitraum ihre Kraftwerke gleich zweimal um: erst von Kohle auf das vermeintlich billige Öl, dann zurück von Öl auf Kohle wegen der extremen Ölpreisschwankungen. Dies kostet Kapital, das für den Ausbau der Fernwärme fehlt. Auch die Überkapazitäten der Atomkraftwerke verleiten nicht gerade zu einem zügigeren Ausbau. Die EVU verkaufen zum Heizen gerne Nachtstrom, um eine gleichmäßigere Grundauslastung ihrer AKWs zu erreichen. Gaswerke behindern den Ausbau von einer anderen Seite. Sie bieten Prämien für die Umstellung von Heizungen auf Erdgas an. Schließlich binden strengere Umweltschutzauflagen Geld. Viele Umweltschützer kritisieren auch die zentrale Fernwärme und plädieren für dezentrale Wärme–Kraft–Kopplung, die den langwierigen und teuren Aufbau großer Versorgungsnetze überflüssig machen würde. Auf der letzten Hannover– Messe präsentierte VW ein Mini–Blockheizkraftwerk in Koffergröße, das ausreicht, um ein Haus zu versorgen. Das geht der AGFW zu weit: „Dezentralisierung meint häufig eine ideologisch motivierte Änderung unseres gesamten Kraftwerkparks.“ Achim Bauer McCASH FLOWS ORAKEL
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