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„Die 135 Millionen glitzern und blinken...

■ ...und alle sind fasziniert von dieser Zahl, aber niemand guckt über den Tellerrand.“ Interview mit Hans Beierlein, Medienmanager aus München und einer der Mitbieter um die Fußball–Übertragungsrechte

taz: Herr Beierlein, hatten Sie ein ruhiges Pfingstfest? Beierlein: Ja, Danke, hatte ich. Keine weiteren Verhandlungen? Nein, ich kann in Ruhe die Dinge abwarten. Sind Sie denn weiter im Rennen? Ich bin nicht ganz sicher, ob am Mittwoch beim DFB–Präsidium eine Entscheidung getroffen wird. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß in einer solchen medienpolitischen Frage von größter Tragweite, daß da jemand sagen könnte, unter Druck zu verhandeln, ist noch nie gut gewesen. Wenn es aber zu einer Entscheidung kommt, halte ich mich für nicht mehr im Rennen, dann wird sie zugunsten der ufa ausfallen. Die 135 Millionen haben sich im Kleinhirn der Clubpräsidenten festgesetzt, und es wird keine Macht der Welt in der Lage sein, da einen Wandel herbeizuführen . . . Wie würden Sie denn als DFB entscheiden? 135 Millionen sind eine Menge Geld, und ich habe volles Verständnis dafür, daß die Fußballvereine in Deutschland, die jahrelang durch die öffentlich–rechtlichen Anstalten bei knappster Kasse gehalten worden sind, jetzt den legitimen Wunsch haben, das große Geld zu machen. Aber es geht hier nicht um einen Restposten von Bananen, sondern um eine ganz sensible Ware besonderer Qualität, auch ein Stückchen nationaler Identität und um eine große medienpolitische Entscheidung. Wenn die nun auf dem Markt versteigert wird, kann das nicht richtig sein. Darum darf man die Öffentlich–Rechtlichen nicht aussperren, mit ihnen sperrt man drei Viertel der Nation aus. Herr Beierlein, Sie setzen sich jetzt neuerdings für ARD und ZDF ein? Ich bin nicht deren Anwalt. Das müssen sie schon selbst machen und da waren sie mit ihrer Strategie und Taktik sicher nicht immer sehr professionell. ARD und ZDF sind der Mittler, und ohne sie kommen wir an die Millionen Fußballfreunde nicht heran. Befürchten Sie, daß der Fußball auf Dauer in Vergessenheit gerät? Der Fußball von morgen wird nicht mehr der von heute sein. Wenn Fußball nur noch über RTL plus läuft, werden die Fußballfreunde verärgert sein, oder sich anderen Sportarten zuwenden oder der Familie. Momentan stehen 135 Millionen im Raum, die glitzern und blinken, und alle sind fasziniert von dieser Zahl, aber über den Tellerrand, über diesen Scheinrand, hat noch niemand hinausgeguckt. Wie bewerten Sie denn das beleidigte Verhalten von ARD und ZDF? Ein öffentlich–rechtliches Monopol gibt es nicht mehr. Da haben diese Sender einen Nachholbedarf an Einsicht. Sollte man ihnen denn empfehlen, Bundesligaspiele in Unterlizenzen zu kaufen? Wenn man das tut, kommt mir das so vor, als wenn man dem Rotkäppchen empfiehlt, daß es die Flasche Wein, die es der Großmutter bringen will, direkt beim Wolf kaufen soll. Werden Sie sich denn auf Dauer weigern können? Es ist alles drin, daß sie Härte zeigen, daß sie umfallen, daß sie sich auf 2:59–Berichte konzentrieren. Ich glaube aber, sie sind ihrem Selbstverständnis schuldig, zunächst einmal nichts zu kaufen und alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen. Welche bleiben denn da noch? Da bietet der Fernsehmarkt viel mehr, als man denkt. Wenn Fußball nur bei RTL plus läuft, den ganzen Samstagabend, und es läuft gegen Tatort und Schwarzwaldklinik, gegen Wetten Daß, dann möchte ich mal sehen, wer bei RTL plus noch zuschaut. Es läßt sich ja auch verbinden, wenn wie gesehen, Herr Schimanski im Duisburger WeJa, sicher. Bisher ist der Fußball wohlwollend in einem Naturschutzpark des Fernsehens geboten worden. Wir fanden das ja alle sehr gut, aber das muß nicht auf Dauer so sein. Der große Verlierer kann durchaus der Fußball sein. Interview: Bernd Müllender

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