piwik no script img

Eine Tomate reicht nicht für alles

■ 200 Frauen und neun Männer waren bei einer Veranstaltung der Frankfurter Grünen zum Thema 20 Jahre nach dem Tomatenwurf - was machen Feministinnen bei den Grünen Daß das Glück der Frauen nicht mit eine

Eine Tomate reicht nicht für alles

200 Frauen und neun Männer waren bei einer Veranstaltung der Frankfurter Grünen zum Thema „20 Jahre nach dem Tomatenwurf

-was machen Feministinnen bei den Grünen“ Daß das Glück der Frauen nicht mit einem Wurf zu machen ist, konnte nicht

widerlegt werden

Aus Frankfurt Gisela Wülffing

Waren die Tomaten, die auf dem 23. SDS-Delegierten-Kongreß im September 1968 in Frankfurt gegen den Theorie-Häuptling Krahl flogen, schon als Wurfgeschosse eingekauft worden, oder sollten sie eigentlich auf den Küchentisch? Sigrid Damm -Rüger, diejenige, die als Tomatenwerferin vom „Aktionsrat zur Befreiung der Frau“ die Apo-Geschichte maßgeblich mitgestaltete, hält nichts von mutigen Heldentaten: „Für den Wurf waren sie zwar im Einkaufsnetz; hätte es aber nicht geklappt oder wäre es nicht nötig gewesen, wären die Tomaten auf den Abendbrottisch gekommen. Es war aber nötig und deswegen flogen sie.“ So wurde Helke Sanders Rede gegen die autoritären anti-autoritären Männer unterstützt, was die Wende für die Frauen brachte. Die Eier im Einkaufnetz übrigens waren schon verbraucht. Wie es sich für die Aktivistinnen damals gehörte, waren sie für das Amerika-Haus bestimmt.

Die Veranstaltung, auf der das Gemüse verhandelt wurde, hieß: „20 Jahre nach dem Tomatenwurf - was machen Feministinnen bei den Grünen?“ Um dies herauszufinden, versammelten sich am Donnerstag auf Einladung der hessischen Grünen im Frankfurter Hörsaal2 an die 200 Frauen und ungefähr neun Männer. Daß das Glück der Frauen nicht mit einem einzigen großen Wurf zu machen ist, konnte an diesem Abend nicht widerlegt werden. Solange sich die sechs Frauen auf dem Podium mit der frauenbewegten Vergangenheit beschäftigten und das Publikum mit selbstironischen Anekdoten ihres eifrigen Bemühens um revolutionäre Selbsterkenntnis erheiterten, war die Situation stimmig. „Wir Frauen wußten, warum der Frauenzusammenhang eine eigene Qualität hat“. Als es dann in die Neuzeit ging, und alle Beteiligten gefordert waren, eine ungeschminkte Bestandsaufnahme der aktuellen Frauenbewegung (dieser Begriff wurde so in Anspruch genommen, als platzte er vor vitalstem kollektivem Selbstverständnis und Eindeutigkeit) vorzunehmen und gleichzeitig einen für den Alltag tauglichen Diskussionszusammenhang herzustellen, ja dann zeigte sich die Schwierigkeit, den Männern tatsächlich etwas entgegen setzen zu können.

Hier waren diejenigen, die schon immer wußten, warum sie nie in solchen Parteistrukturen arbeiten würden und dort waren die, die Unterstützung bei der Frauenbewegung suchten für ihre mühseliges Politikgeschäft. Eine gegenseitige falsche Einschätzung und Beurteilung, die den Anwesenden nicht angemessen war.

Zuvor jedoch verbreitete Hilde Wackerhagen die beliebte Frankfurter Kabarettistin, mit ihrer Geschichte über den Weiberrat und den Zitaten aus dem Frauenjahrbuch von 1975 erleichtertes Vergnügen. Es war die Zeit des angestrengten Bemühens um „hochkomplizierte Texte, die ich nie verstanden habe“. Texte, die die Frauen in ihrer gewollten Autonomie bestätigen sollten und doch nicht verhindern konnten, daß „wir faktisch die Genossen im Kopf hatten“. Erst die ganz und gar nicht theoretische Sprache auf dem Flugblatt des Weiberrats „Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren Schwänzen“ deutete erste Schritte zum unabhängigeren Denken ein.

Silvia Kontos, heute Prof. in Wiesbaden, konnte schon im „windgeschützten Rückzugshafen“ des 2. Weiberrats außerhalb des SDS der konkurrenten Autoritätsstruktur ausweichen und nahmn teil an den Anfängen der Selbsterfahrungsbewegung. Die aufregenden Selbstuntersuchungen folgten bald und sie bildeten die Voraussetzung der Frankfurter Feministinnen, sich im Kampf um den Paragraph 218 einzumischen. Hier hatten sie die lang ersehnte Massenbewegung / Frauenbewegung, deren Teil sie nun waren. Kopf und Bauch gehörten endlich zusammen. Die große Gemeinsamkeit der Frauen fand nach Meinung von Silvia Kontos dann in einer letzten allgemein -verbindlichen Kampagne „Gewalt gegen Frauen“ ihr Ende.

Für Anita Breithaupt und andere SPD-Politikerinnen war die §218-Kampagne das Instrument, mit dem sie die Unterdrückung der Frau aufzeigen konnten. Sie hofften auf eine starke Frauenbewegung, um innerhalb der Parteisoldaten einen besseren Stand hinzukriegen. Eva Quisdorp, Grünen-Frau der ersten Stunde, wendete sich hier unvermittelt gegen jede Form der Sektenbildung und plädierte mit Elan für die Vielfalt der Frauenbewegung, Friedens- und Öko-Bewegung. Durch Waltraud Schoppes Beitrag erinnerten sich etliche an unschöne Begleiterscheinungen der Frauen-Selbstfindung: Ihr verwehrte man damals den Zugang zum Frauenzentrum, „weil ich den faux-pas begangen hatte, zwei männliche Kinder auf die Welt gebracht zu haben.“ Daß es heute unter Frauen nicht mehr so streng zugeht, sei ein Erfolg der Frauenbewegung, Frauen können großzügiger mit sich umgehen, Frauen sind überall dort, wo sie vor zehn Jahren noch nicht hätten sein können. „Wir sind in die Breite gegangen und das ist gut so.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen