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"1954 war ich ein Contra"

■ Ex-CIA-Agent Philipp Roettinger beteiligte sich vor 24 Jahren am Sturz der Regierung von Guatemala - heute nimmt er am Veterans Peace Convoy für Nicaragua teil / Die Organisation ehemaliger Geheimdienstagenten

„1954 war ich ein Contra“

Ex-CIA-Agent Philipp Roettinger beteiligte sich vor 24

Jahren am Sturz der Regierung von Guatemala - heute nimmt er am „Veterans Peace Convoy“ für Nicaragua teil / Die

Organisation ehemaliger Geheimdienstagenten und

Kriegsteilnehmer demonstriert mit der Aktion gegen die

Interventionspolitik der USA

Von G.Aschemann und R.Paul

Laredo/Texas (taz) - Philipp C.Roettinger, Oberst A.D. der US-Marine, nahm am Zweiten Weltkrieg im Pazifik teil. Danach arbeitete er als Instrukteur im Hauptquartier des Marine Corps, 1951 wechselte er zur CIA. 1954 gehörte er zu jener Gruppe von CIA-Agenten, die erfolgreich den Sturz des damaligen Reformpräsidenten Jacobo Arbenz in Guatemala betrieb. Heute ist Roettinger Präsident der „Association for Responsible Dissent“, einer Organisation ehemaliger Geheimdienstagenten, die es sich zur Aufgabe macht, die nordamerikanische Öffentlichkeit über die Aktivitäten der CIA und die Interventionspolitik der US-Regierung aufzuklären.

Das folgende Gespräch mit Roettinger führten wir in Austin/Texas. Von dort brach vorige Woche der „Veterans Peace Convoy“ nach Nicaragua auf. 140 US-Veteranen aus dem Korea-Krieg, dem Vietnam-Krieg und der Grenada-Invasion sowie eine Gruppe ehemaliger CIA-Agenten wollen in 40 Lastwagen Medikamente, Lebensmittel und Kleidung ins mittelamerikanische Land transportieren - für die Kinder, „die Hauptbetroffenen eines Krieges, den unsere Regierung gegen Nicaragua führt“, wie Murthy Duncan, Sprecher des Konvois, sagt. Am Dienstag standen die 40 Fahrzeuge immer noch in der texanischen Grenzstadt Laredo. Das US -Finanzministerium hatte den Veteranen die Ausreise nach Mexiko mit der Begründung untersagt, daß mit der Aktion das US-Handelsembargo gegen Nicaragua umgangen werde.

taz: Die Reise mit dem „Veterans Peace Convoy“ nach Nicaragua ist nicht Ihre erste Reise nach Mittelamerika. 1954 waren Sie am Sturz der Regierung Arbenz in Guatemala beteiligt.

Roettinger: Ich wurde in einem Team von CIA-Agenten nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, geschickt, um dort Gruppen von exilierten Guatemalteken militärisch zu schulen. Wir bildeten sie zu einer Söldner-Truppe aus, die wir heutzutage Contras nennen würden. Es war eine sehr kleine Streitmacht mit einem Minimum an Ausbildung und Bewaffnung, und wir schickten sie nach Guatemala, wo sie eine Reihe kleinerer, nicht sehr effizienter militärischer Aktionen durchführten. Wichtiger für uns war, den Kontakt mit den Verrätern innerhalb der Regierung und des Heeres zu unterhalten. Außerdem strahlten wir über Radiosender permanent Falschmeldungen ins Land, etwa, daß die Regierung eine kommunistische Politik betreibe, eine breite Blutspur im Land hinterlasse, daß Armee und Bevölkerung den Präsidenten nicht mehr unterstützten, daß die Rebellen über starke militärische Verbände verfügten und weitere Lügen dieser Art. Die Verräter unter den Offizieren und in der Regierung übten schließlich soviel Druck auf Arbenz aus, daß er zurücktrat, um, wie er sagte, sein Land zu retten.

Wie ging es in Guatemala weiter?

Der von uns eingesetzte neue Präsident, Oberst Castillo Armas, machte sofort alle Reformen von Arbenz rückgängig. Er verbot die Gewerkschaften und die kleine Kommunistische Partei. Das unter Arbenz an die Bauern verteilte Land wurde an die Großgrundbesitzer zurückgegeben, vor allem an die „United Fruit Company“. Armas ließ Tausende von Menschen umbringen und verschwinden. Drei Jahre später wurde er dann selbst ermordet, und es begann das Regime der Militärdiktaturen, das bis heute den Tod von über 100.000 Guatemalteken verursachte.

Wie dachten Sie damals über das, was Sie taten?

Ich war ein junger Kerl, und es war aufregend wie ein Thriller, die Regierung eines Landes zu stürzen. Vor allem, weil man uns sagte, daß es ein kommunistisches Land sei, was es natürlich nicht war. Aber daran verschwendeten wir keinen Gedanken, wir interessierten uns nicht für die ideologischen Details, denn wir hatten einen Job zu erledigen. Man sagte uns, wir würden es für Amerika tun, zum Wohle der Hemisphäre usw., dieses ganze Lügengeschwätz.

Wann und wie kam es dazu, daß Sie Ihre Einstellung so radikal änderten?

Das kam erst in den letzten Jahren, als ich sah, was in Nicaragua passierte. Ich sah die Parallelen zwischen Guatemala damals und Nicaragua heute. Wir versuchen wieder, eine Regierung zu stürzen, verbreiten Lügen über sie und töten Menschen. Nicaragua, auch die persönlichen Erfahrungen dort, brachten mich dazu, gegen den Krieg zu arbeiten, gegen die verdeckten Aktionen unserer Regierung in verschiedenen Ländern und gegen das Morden in all diesen Jahren im Namen des amerikanischen Volkes.

Warum beteiligen Sie sich am Konvoi?

Einmal, um den Kindern in Nicaragua zu helfen. Zum anderen ist der Konvoi die Demonstration eines großen Teils der US -Bevölkerung gegen die Interventionspolitik in anderen Ländern. Morgen früh werde ich nach Honduras fliegen. Ich glaube, daß der Konvoi dort Schwierigkeiten bekommt. Mal sehen, was ich dort mit meinen alten Kontakten erreichen kann.

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