: Was wollen die Militärs mit Klaus Schmidt?
■ Der auf den Phillippinen von Militärs festgehaltene Pfarrer Klaus Schmidt wartet auf einen Haftprüfungstermin vor dem Obersten Gericht in Manila / Mathias Erb-Sommer konnte mit Klaus Schmidt ein Telefon-Interview führen
Am Samstag sind Pfarrer Klaus Schmidt und seine Begleiter, der schwedische Journalist Stellan Hermannson und Antonio Bosch aus dem Militärlager in Nakar in das Zivilgefängnis von Lucena verlegt worden. Das Militär beschuldigt Schmidt, Hermannson und Bosch am 3. Februar bei einem Überfall der linksorientierten Guerrillaorganisation NPA auf die Stadt San Francisco beteiligt gewesen zu sein. Die Beschuldigten können dagegen nachweisen, daß sie sich zum fraglichen Zeitpunkt an anderen Orten aufgehalten haben. Für Donnerstag ist ein Haftprüfungstermin vor dem Supreme Court in Manila angesetzt. Sollte es mangels Beweisen zu einem Freispruch kommen, wäre dies eine Ohrfeige für die verantwortlichen Militärs, die bislang eine Freilassung auf Kaution abgelehnt haben. Heute hat ein Vertreter des Verteidigungsministeriums die sofortige Entlassung auf Kaution vorgeschlagen, um den heiklen Haftprüfungstermin auf diese Weise doch noch zu umgehen.
taz: Wie geht es Ihnen jetzt? Können Sie frei reden?
Pastor Schmidt: Ja, sicher. Wir bewegen uns hier innerhalb der Genzen des Knastes völlig frei. Das Militär wollte uns loswerden, weil wir den Supreme Court angerufen haben. Da sind sie wahnsinnig nervös geworden und haben uns mit allen Mitteln Durck überreden wollen, diese Petition zurückzuziehen. Die sind zum ersten mal richtig nervös geworden, haben von sich aus angeboten, daß wir telefonieren können, was sie uns bisher verwehrten. Dann sind wir auf offenem Wagen, flankiert von Maschinengewehren, vom Camp Nakar in dieses mittelalterliche Zivilgefängnis in Lucena überführt worden, wo wir einen gesonderten Raum haben und Kontakt zu Häftlingen, politischen und wahnsinnigen, die Kinder umgebracht haben, Leute, die des Mordes beschuldigt sind - ein Leben, wie in einem Traum und einem Alptraum.
Am Donnerstag ist Haftprüfung vor dem Supreme Court in Manila. Was ist zu erwarten?
Völliger Freispruch für die Angeklagten. Was sonst. Aber es ist ja keine juristische, sondern eine politische Frage. Denn jetzt, da der Druck aus Schweden und der Bundesrepublik stark genug ist, wird die schwache Dame im Malaquanana Palast und ihr Berater Ramos wirtschaftliche Erwägungen vielleicht doch über andere stellen. Es gibt nämlich jetzt auch bei Abgeordneten in Manila die Warnung vor dem Ausländerhaß, der zu einem Bumerang werden könnte. Man beginnt über die wirtschaftlichen Folgen nachzudenken. Die allgemeine Einschätzung für einen Freispruch läuft deshalb auf fifty-fifty raus. Dem Militär eine solche Ohrfeige zu versetzen, dazu gehört Mut. Die große Gefahr für uns ist, daß ein erstmaliger Erfolg beim Supreme Court ein enormer Gesichtsverlust für das Militär bedeuten würde. Davor muß man ein bißchen Angst haben, dann würde ich versuchen, so schnell wie möglich für einige Wochen in die Bundesrepublik zurückzukehren, denn ich denke nicht, daß die Para-Militärs, an der langen Leine gelassen, es hinnehmen werden, wenn das Militär so eine Schlappe erleidet. Aber ich will auf jeden Fall nach Manila zurückkehren und meine Arbeit wie vorgesehen zustandebringen.
Wie sah der psychische Terror im Camp Nakar aus?
ERstens kamen nachts gelegentlich paramilitärische Vigilantes, die zum Teil auf Englisch zum Teil auf Tagalog gesagt haben: „Euch müßte man umbringen!“ Die haben dabei mit ihrer Waffe rumgefummelt. Der psychische Terror begann aber schon bei ihren Verhören.
Wie sind die Haftbedingungen im Zivilgefängnis von Lucena?
Seit Samstag sind wir hier. Die Gefängnisleitung ist freundlich. Weil sie wissen, daß die Sache nicht koscher ist. Sie wollen uns auch schnell wieder loswerden, denn sie haben wohl Angst, daß uns was passiert. Das Gefängnis ist nicht gesichert. Ich wundere mich nur, daß hier nicht täglich jemand ausbricht. Sie haben hier mehr Angst, daß jemand einbricht, als daß jemand ausbricht. Allerdings hörten wir, das Gebäude ist in angemessener Entfernung ringsum von Militär umstellt. So daß wir hoffen, daß niemand reinkommt. Die Bevölkerung ist allerdings etwas aufgeheizt. Die Zeitungen schweigen sich dagegen seit drei Tagen völlig aus, vielleicht nach der Methode 'duck and cover‘. Die können ja heute nicht sagen, daß sie gestern Lügen verbreitet haben. Da ist es vielleicht besser, ein bißchen Zeit verstreichen zu lassen.
Die Militärs wissen ja als Konstrukteure Ihrer Anklage, daß die Anschuldigungen absurd sind. Was ist Ihrer Ansicht nach der eigentliche Grund für die Festnahme?
Ja, sicher wissen sie um die Absurdität. Aber sie brauchen solche Festnahmen, um das Aquino-Regime zu destabilisieren, das ist ihre erklärte Absicht. Je schwächer die Präsidentin reagiert - bisher ist keine Habeas Corpus-Petition duchgekommen - um so mehr reichen sie sich die Hände und waschen sie in Unschuld. Zudem brauchen sie unbedingt Beweise für ihre Behauptung, daß ständig Ausländer mit Geld und Waffen herumfuchteln. Nur über Boris Becker wird positiv berichtet, alle anderen Deutschen gelten den Militärs als Räuber, Vergewaltiger oder so schlechte Menschen, wie wir. Da ist jedes Mittel recht. Und damit sind sie bisher noch jedesmal durchgekommen, indem sie falsche Zeugen aufgestellt haben, die nachher militärisch befördert oder vorher zusammengeprügelt wurden. Man will eine bestimmte politische Situation und prügelt die Menschen dementsprechend zurecht.
Hat denn die Festnahme mit Ihren Recherchen zum deutschen Infrastrukturprojekt auf Bondoc zu tun?
Ich habe von Anfang an, auch in den finstersten Verhören, immer wieder in die Waagschale geworfen, daß ich ein besorgter Christ und Bundesbürger bin, daß mir das Vorhaben meiner Regierung äußerste Sorge bereitet, weil man sich in diesem heißen Auslandsgebiet nur mit miliärischem Schutz bewegen kann. Wie da ein Entwicklungshilfeprojekt in dieses Gebiet pflanzen? Das war und ist meine dringendste Sorge. Ich denke, es müßte sehr sorgfältig im Parlament und außerparlamentarisch weiter darüber debattiert werden. Ich kann mir nur vorstellen, daß diejenigen, die die Realität in der Kampfzone Bondoc-peninsula berücksichtigen, von diesem Projekt Abstand nehmen müssen.
Wie ist denn die Atmosphäre im Zivil-Knast?
Eine Mischung zwischen Kafka. Polanski und Woody Allen. Du kannst manchmal gar nichts machen, manchmal alles. Würde ich dem Colonel jetzt schriftlich überreichen, ich hätte Befehl, zu Fuß nach Manila zu gehen, mit, na sagen wir mal mit einem Stempel vom Kölner Postamt, dann würde er sagen „Moment, ich ruf man ein Taxi“. Absolut absurd, was hier läuft. Du kannst heute fast totgeschlagen werden, morgen laden dich die Offiziere zum Frühstück ein.
Haben Sie in der Haft etwas von den Bemühungen Ihrer persönlichen und politischen Freunde mitbekommen?
Ja, ganz herzlich danke ich Hans-Jörg Haber von der Deutschen Botschaft, den Freunden in Köln, den wichtigen kirchlichen Organisationen, meiner Entwicklungshilfeorganisation in Stuttgart, der regionalen Kirchenleitung in Düsseldorf, der EKD in Hannover und bei allen parlamentarischen und außerparlamentarischen Freundinnen und Freunden, angefangen in Köln.
Klaus Schmidt bittet um Unterstützung für politische Häftlinge über das Philippinenbüro, 5000 Köln 1, Postfach 250 408
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