: Künstliche Intelligenz a la Riesenhuber
Gründung des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern / Ein 200-Millionen-Geschenk von Riesenhuber für die Industrie / Eine GmbH, die Grundlagenforschung zunächst bei der medizinischen Diagnose betreiben will und deren beschränkte Haftung bei ethischen Fragen endet ■ Von Felix Kurz
Kaiserslautern (taz) - Endlich war es für Heinz Riesenhuber, den christdemokratischen Bundesforschungsminister aus dem Kabinett Helmut Kohls, mal wieder soweit. Ein Fernsehinterview für die ARD-Tagesthemen sollte es werden, und da sprudelte es in der Mensa der Universität Kaiserslautern nur so heraus aus dem Chemieprofessor, an dem das Auffälligste gewöhnlich seine Fliege ist.
Stocksteif, den Blick starr in das Kamera-Objektiv gerichtet, probierte Heinz Riesenhuber schon die dritte Version. „Ja, wieviel Zeit haben wir denn?“ „Sie allein zwei Minuten.“ „Was? So viel?“, entfuhr es dem Minister, ungläubig-glücklich.
Tatsächlich hatte der Kabinetts-Hinterbänkler noch am gleichen Abend seinen Fernsehauftritt. Den verschaffte ihm die Gründung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern, ein „forschungspolitisches Novum“ (Riesenhuber).
Besonderheiten hat das neue Zentrum mit den Standorten Saarbrücken und Kaiserslautern eine ganze Menge aufzuweisen. Das DFKI ist in einer privatrechtlichen Organisationsform, einer GmbH, entstanden. Es wurde in überregionaler Trägerschaft von neun Industrieunternehmen (AEG, Siemens, Mannesmann-Kienzle, IBM Deutschland, Nixdorf, Insiders, Krupp Atlas Elektronik, Allgemeine Deutsche Philips Industrie, ADV/ORGA AG) und den Forschungsinstitutionen GMD sowie der Fraunhofer-Gesellschaft gegründet. Dieser Elferrat betreibt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch.
Dennoch: Zur Unterzeichnung des Rahmenvertrags zur Gründung des DFKI waren nicht nur die Vertreter der beteiligten Konzerne präsent. Neben Heinz Riesenhuber komplettierten die Herrenrunde die Kultusminister, Georg Gölter (Rheinland -Pfalz) und Diether Breitenbach (Saarland).
Mit dem Newcomer unter den bundesdeutschen Forschungseinrichtungen will die Industrie die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) verstärken. Spätestens im Herbst fällt der Startschuß. Das vergleichsweise bescheidene Grundkapital von 1,1 Mio. DM (pro Gesellschafter 100.000 DM) reicht dazu natürlich nicht aus. Die dafür mindestens benötigten 200 Mio.DM, pro Jahr rund 20 Mio., spendierte das Bonner Ministerium für Forschung und Technologie.
Doch damit nicht genug. Die Unternehmen zockten auch dem Saarland und Rheinland-Pfalz ganz anständige Summen ab. Beide Bundesländer sorgen für die räumliche Unterbringung der - pro Standort rund 50 - Wissenschaftler, natürlich kostenlos. In Saarbrücken zieht das DFKI in einen rund 40 Mio.DM teuren Neubau ein. Für Rheinland-Pfalz belaufen sich die Kosten nach Angaben von Georg Gölter auf rund 25 Mio.DM.
Doch auch damit nicht genug. Die Länder treffen die „personellen Vorkehrungen für leitende Wissenschaftler des DFKI“, heißt es in der Presseverlautbarung des Bundesforschungsministers. Im Klartext: Die für das Institut neuzuschaffenden Lehrstühle bezahlen und richten die Länder ein.
Eine feine Idee. Gebäude, Erst-Einrichtungen und die Topleute des DFKI bezahlen also die Bundesländer. Mit den rund 200 Mio. der Bundesregierung sollen Forschungsaufträge finanziert werden, und die Ergebnisse vermarkten dann Konzerne wie Siemens, Nixdorf und Co.
Sie können aber, wenn sie wollen, ihre betriebseigenen Wissenschaftler zum Schnuppern und Weiterbilden nach Kaiserslautern oder Saarbrücken schicken oder aber auch Forschungsaufträge an das DFKI geben. Hauptdrahtzieher war übrigens Siemens-Forschungsvorstand Schwärtzel. In seinem Toast auf das neue Institut meinte Schwärtzel denn auch mehrdeutig, mit der Gründung des DFKI habe die Industrie „ein Zeichen gesetzt“ und sich „zur Forschung bekannt“. Man gehe nun „gemeinsam einen Weg in einem hoffnungsvollen Gebiet“.
Rund zwei Jahre benötigte die Konzerne allerdings für ihr „Zeichen“. Ursprünglich hatten sie anderes im Sinn. Einzelne Industrieunternehmen versuchten bereits im Vorfeld direkt in den Genuß von Bundesmitteln für ihre innerbetrieblichen Forschungsabteilungen zu gelangen.
Der Vorteil: Niemand hätte Einblick in den aktuellen Stand der Forschung beim Konkurrenten gehabt. Das scheiterte, und so lassen wir noch einmal Heinz Riesenhuber zu Wort kommen. Mit der Gründung des DFKI sei „ein wichtiger Meilenstein für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft für die notwendige Konzentration der Forschung auf dem zukunftsträchtigen Gebiet der künstlichen Intelligenz in Sicht“.
Wie zukunftsträchtig die KI wirklich ist, muß sich erst noch zeigen. KI ist nämlich nichts weiter als ein Synonym für intelligente Computer und Roboter. Das neue Wissenschaftsgebiet, ein Ableger der Informatik, will Maschinen entwickelt, die sich wie der Mensch alternativ verhalten können. Letztlich soll der Forscherwahn darin enden, daß Maschinen wie Menschen denken und handeln. Nichts anderes meint dazu der designierte technisch -wissenschaftliche Leiter des DFKI, der Stuttgarter Informatikprofessor, Gerhard Barth (39), wenn er sagt, „das Ziel sei zunächst nicht, Roboter zu bauen, die selbständig etwas entscheiden, die den Menschen ersetzen sollen“. Doch dann erklärt Barth seine Vorstellung der neue Informatik -Disziplin: „Die Künstliche Intelligenz beschäftigt sich mit den Gebieten, in denen Menschen den Maschinen noch überlegen sind.“ Dazwischen wird immer wieder betont, daß die KI ein Segen für die Menschheit sein werde, denn schließlich sollen die „denkenden“ Computer den Menschen nur unterstützen.
Die Anwendungsgebiete der KI liegen nach Ansicht von Gerhard Barth zunächst bei der medizinischen Diagnose. Sogenannte „Expertensysteme“ sollen helfen, in komplexen Systemen Fehler zu finden, aus einer Vielzahl schwer überschaubarer Informationen und aus Erfahrungswissen richtig und schnell zu interpretieren. Im Bankgewerbe, der Geldanlageberatung und anderen Dienstleistungsgebieten versprechen die Forscher der KI ebenfalls glänzende Einsatzmöglichkeiten.
Bei all der Forschungseuphorie gehen warnende Stimmen leicht unter. Der saarländische Kultusminister Diether Breitenbach warnt denn auch vor der Technikgläubigkeit. Durch die Anwendung der KI, so befürchtet er, werde „unsere gesamte Arbeits-und Wirtschaftsstruktur verändert und wichtige Arbeitsplätze vernichtet“. Breitenbach, der selbst Psychologieprofessor ist, meinte gegenüber der taz: „Hier werden Kommunikationsstrukturen aufgebaut, deren Auswirkungen heute noch niemand absehen kann, und das kann erheblich soziale Konzequenzen haben.“
Deshalb fordert Breitenbach, daß, wenn man schon derartige Forschungsvorhaben wie das DFKI startet, gleichzeitig an den Hochschulen mehr für die Technologiefolgeabschätzung investiert werden müsse. Hier seien die Hochschulen „noch zu wenig gerüstet“. Diether Breitenbach: „Offenbar gilt die beschränkte Haftung beim DFKI nur für die rechtlichen, nicht aber bei den ethischen Fragen.“
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