: Israels Wahlkampf beginnt neu
Husseins überraschender Verzicht auf das Westjordan-Ufer löst überall Verwirrung aus ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der Nahostbeauftragte der USA, Richard Murphy, hat am Montag in einem Gespräch mit Verteidigungsminister Rabin überraschend deutliche Kritik an Israels Regierung geübt. Vor Reportern sagte er, er habe die Besorgnis der USA über den „Mangel an Dialog zwischen Israel und den gemäßigten Palästinensern“ zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht auf Gespräche mit der PLO gedrungen. Unterdessen hat die jordanische Entscheidung im Nahen Osten zahlreiche diplomatische Aktivitäten ausgelöst. Arafat soll gestern aus Kuwait nach Tunis zurückgekehrt sein und dort eine Tagung der politischen und juristischen Kommission der PLO geleitet haben, die einen Text zur Ausrufung eines Palästinenserstaates ausarbeiten solle. Jitzhak Rabin hatte bereits zuvor in einem Radio-Interview versucht, die Konsequenzen aus dem definitiven jordanischen Rückzug vom Westjordan-Ufer für den Wahlkampf seiner Partei zu umreißen. Nur bei einem eindeutigen Wahlsieg der Arbeiterpartei könne König Hussein überredet werden, die „jordanische Option“ wiederzubeleben - die einzige Chance, um zu einer friedlichen Lösung zu gelangen. Lediglich dieser Weg bleibe akzeptabel, solange Israel die PLO als Verhandlungspartner strikt ablehnt. Rabin schlägt nun vor, Israel solle die durch den jordanischen Rückzug entstandene Konfusion unter den Palästinensern in den besetzten Gebieten dazu nutzen, die israelische Herrschaft dort zu festigen. Die Intifada müsse entschärft, der PLO-Einfluß weiter eingeschränkt und die lokalen Selbstverwaltungs-Ausschüsse der Palästinenser müßten liquidiert werden. Das seien Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der „jordanischen Option“.
Auf die Frage, warum Feisal Al-Husseini wieder eingesperrt werde und als Gesprächspartner nicht in Frage komme, betonte Rabin, daß Husseini als PLO-Vertreter gelte; Verhandlungen seien nur mit solchen Arabern möglich, die sich von der PLO lossagen. Die Veröffentlichung des sogenannten Husseini -Dokuments sei jedoch schädlich gewesen, weil sie es erschwert habe, den durch Jordaniens Rückzug entstandenen Schock unter den Palästinensern für Israel optimal auszunutzen. Nicht zu verkennen ist jedoch, daß der jordanische Rückzug in Israel für noch größere Verwirrung gesorgt hat: der gesamte Wahlkampf muß umgekrempelt werden.
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