: Fliegerball nach Ramstein-Inferno
Zum Finale des Nörvenicher Flugtages feierten 300 Militärs ein ausgelassenes Fest „Die haben da ein irres Tohuwabohu abgezogen“, sagte ein teilnehmender Musiker ■ Aus Düsseldorf J.Nitschmann
Nach einem Bericht der Kölner Boulevardzeitung 'Express‘ ist der Großflugtag auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln am vergangenen Sonntagabend trotz der Ramstein-Katastrophe mit einem „Fliegerball“ beendet worden. Unter der Schlagzeile „Bundeswehr tanzte am Todesabend“ berichtet das Boulevardblatt in seiner Mittwochsausgabe, daß zum Finale des Nörvenicher Flugtages über 300 Militärs und Ehrengäste „ein ausgelassenes Fest“ gefeiert hätten. Im Rahmen dieser feucht-fröhlichen Militärfete trat neben dem Kölner Stimmungsmacher King Size Dick auch die aus dem rheinischen Karneval bundesweit bekannte Stimmungsband „Paveier“ mit ihrem Ohrwurm „Heute brennt mein Iglu, und morgen wieder mal der Bär“ auf.
Der Sänger der Kölner Gruppe „Paveier“, Micky Brühl (27), bestätigte im Gespräch mit der taz die Darstellung der Boulevardzeitung 'Express‘. Seine Band sei über das Flugzeugunglück in Ramstein vom Veranstalter überhaupt nicht aufgeklärt worden: „Wir haben da wie überall unseren Job gemacht und unser normales Programm durchgezogen“, sagte Brühl. Den feiernden Militärs und deren Gästen sei von der Katastrophe in Ramstein „überhaupt nichts anzumerken“ gewesen: „Die haben da ein irres Tohuwabohu abgezogen und sich wegen ihrer gelungenen Flugshow gegenseitig gefeiert.“
Die Gruppe „Paveier“ hat nach eigener Darstellung erst auf dem Heimweg durch das Radio von der Katastrophe erfahren. Daraufhin sei das Stimmungs-Quintett „arg betroffen“ und über die Veranstalter in Nörvenich „unglaublich empört“ gewesen: „Die Militärs dort haben uns gelinkt. Das war schon ein starkes Stück. Natürlich wären wir da nie und nimmer aufgetreten, wenn wir das mit Ramstein gewußt hätten“, sagt Sänger Brühl. Ihre Gage für den Auftritt wollen die Kölner Stimmungsmacher auf das Sonderkonto für die Opfer von Ramstein überweisen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der feucht-fröhlichen Fete hat das Verteidigungsministerium der Kommandantur des Jagdbombergeschwaders in Nörvenich einen Maulkorb verpaßt. Fliegerhorst-Sprecher Jürgen Langer erklärte am Mittwoch, er könne zu den im 'Express‘ geschilderten Vorgängen nichts sagen. Das Bundesverteidigungsministerium habe sich alle Auskünfte vorbehalten, „damit wir da mal eine einheitliche Sprachregelung finden“. Wie der taz weiter bekannt wurde, hatte Verteidigungsminister Scholz am Mittwoch die gesamte Kommandantur zum Rapport nach Bonn bestellt.
Allerdings wurde in Bonn die umgehende Entlassung des Nörvenicher Kommandanten Joachim Hoppe nicht mehr ausgeschlossen. Luftwaffen-Sprecher Rüdiger Jäschke erklärte gegenüber der taz, Verteidigungsminister Scholz habe „Weisung erteilt, daß alle Fragen im Detail untersucht werden“.
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