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Die grenzenlose Vermarktung

Das Internationale Olympische Komitee hat die geschäftliche Lektion von Los Angeles 1984 gelernt  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Olympia ist noch rein. Nirgendwo finden sich schmutzige Flecken der Geschäftemacher, weder in den Straßen von Seoul noch in den vielen Sportstätten. Wohl ist die ganze Stadt über und über voll mit bunten Fahnen, Bändern und Plakaten, doch die sind vom Organisationskomitee (SLOOC) aufgehängt und sollen dem Schmuck dienen und nicht der Werbung; bestenfalls der Werbung für „Pal Pal“, die Olympiade 1988.

Auch an den architektonisch zumeist sehr schönen Sportanlagen ist nichts von dem, woran sich Besucher großer Sportveranstaltungen so sehr gewöhnt haben: Bandenwerbung, Werbereiter, Werbetafeln. Auch hier gibt es nur Tuch in rot, grün, blau und gelb, darauf das Emblem von Seoul, eine nach oben offene Schnecke, und die fünf Ringe, schon ziemlich klein geraten. Als Schriftzug sieht man lediglich „Peace Harmony - Progress“. Nur die elektronischen Anzeigetafeln tragen - arg züchtig - den Namen des jeweiligen Herstellers. Selbst „Hodori“, der Maskottchen-Tiger, springt einen nirgendwo an. Und doch werden, wenn auch nicht sehr augenfällig, jede Menge Dollars bewegt.

Daß die Olympischen Spiele auch ein großes Geschäft sein können, wurde 1984 in Los Angeles das erste Mal recht deutlich, als Olympia-Manager Peter Ueberroth - wenn auch durch die Ausnutzung zigtausender freiwilliger Patrioten einen Profit von 220 Millionen Dollar herausholte; die Amerikaner wählten ihn - Ehre, wem Ehre gebührt - zum Mann des Jahres.

Die Olympier lernten daraus, und der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Samaranch, skizzierte wenig später die neue Linie: „Bis jetzt gab es für uns nur eine wichtige Geldquelle - das Fernsehen. Für die olympische Bewegung ist das zu gefährlich. Wir versuchen, andere Ressourcen zu erschließen.“ Am 1. Juni 1985 wurde der neue Bohrturm aufgestellt, aus dem weitere Einnahmen sprudeln sollten: Das IOC unterzeichnete mit der „International Sports and Leisure Marketing“ (ISL) einen Vertrag über die Vermarktung von Olympia '88. Diese Firma mit Sitz in Luzern gehört zu 51 Prozent der Dassler-Familie (adidas), zu 49Prozent dem japanischen Werberiesen Dentsu. (Für die Vertragsbeschaffung war sicher nicht ganz unwichtig, daß Horst Dassler mit seinen Beziehungen in der Welt des Sports Herrn Samaranch einstmals zum IOC -Präsidenten gemacht hatte.) Die Idee der beiden Partner: Die Nationalen Olympischen Komitees (NOK) müßten ihre Rechte an den olympischen Symbolen an die ISL abtreten, die diese an eine ausgewählte Sponsorengruppe verkaufen würde.

Anfangs reagierten die NOKs schleppender als erwartet, und Samaranch mußte einige Überzeugungsarbeit leisten, bis schließlich 156 von 167 IOC-Mitgliedern ihre Unterschrift gaben. ISL gründete das sogenannte TOP (The Olympic Program) und gewann für 1988 neun große Konzerne. Die Einnahmen werden nach einem Schlüssel verteilt: 40 Prozent Seoul, 25 Prozent Calgary, 5 Prozent IOC, 10 Prozent ISL und 20 Prozent die NOKs). 150 Millionen Dollar zahlen die Sponsoren zusammen, erhalten dafür Werbemöglichkeiten in IOC -Publikationen und können die offiziellen Embleme nutzen. Ihre Repräsentanten und Gäste werden nobel als VIPs behandelt.

Relativ lackiert

Der Wert dieser Aktivitäten ist umstritten. Günter Lohre beispielsweise, ehemaliger Stabhochspringer und heute selbst in dieser Branche tätig, hält die Teilnehmer am TOP für „relativ lackiert“. Die Nutzung bringe „wenig kommunikative Vorteile“. Der Grund: Über das Fernsehen wird nichts transportiert, und man könnte nicht nur „200 Stunden Olympia glotzen“, sondern auch tagelang durch Seoul spazieren, ohne einem TOP-Sponsor zu begegnen. Man kauft einen „ideelllen Wert: Ich bin dabei“ (Lohre).

Für ihr Geld wird den TOP-Firmen immerhin eines zugesichert: Produktexklusivität. In L.A. war es da zu Verwirrungen gekommen, Fuji und Kodak hatten mit dem Organisationskomitee und dem NOK getrennte Verträge geschlossen. Die ISL übernimmt zudem die Koordination mit den NOKs, die national die Ringe vermarkten. In der BRD macht dies die Deutsche Sportmarketing (DSM: 50 Prozent NOK, 50 Prozent Sporthilfe), die mit rund einhundert Sponsoren für 1988 einen Umsatz von 10 Millionen Mark anvisiert. Das sind die Firmen, die uns als „offizieller Ausrüster, Lieferant und Förderer der Olympiamannschaft“ begegnen.

In Seoul zeigen sich die Organisatoren bester Dinge; schon ist auch für 1988 ein Gewinn von 250 Mio. Dollar in Aussicht gestellt. Doch die Rechnung geht - wenn überhaupt - nur auf, weil die Verflechtung zwischen Politik, Wirtschaft und Organisationskomitee nirgendwo enger war als hier in Südkorea. So war Roh-Tae Woh Präsident beim SLOOC, bevor er dieses Amt für das ganze Land übernahm.

Geldfluß säubert Han-Fluß

Die Gesamtsumme der Kosten für Südkorea addiert sich auf 3,1 Milliarden Dollar: 1,4 für Infrastruktur wie Straßen und Reinigung des Han-Flusses; 800 Millionen Privatinvestitionen in Sportanlagen, die später kommerziell genutzt werden sollen, den Rest kosten die Spiele selbst. Neben Lizenzen (200 Mio.) und Fernsehen (408) sollen noch Gelder von Briefmarken und Münzen (140) und Lotterien (120) fließen. Doch die olympischen Geschäfte laufen nicht überall wie erhofft. Ein Sprecher des Hotelgewerbes klagt über schlechtere Buchungsquoten als im Vorjahr bei den Asienspielen, die Sicherheitsvorkehrungen halten die Leute von den Läden ab, und die Zahl der erwarteten Touristen wurde von 250.000 auf 150.000 korrigiert.

Dem großen Olympia-Businesswird das keinen Abbruch tun, und auch Jürgen Lenz, der ISL-Vizepräsident, sieht die Perspektiven des Sport-Marketing recht zuversichtlich. „Es gibt nur vier Dinge“, sagt er, „die keine Grenzen kennen: Gewalt, Musik, Sport und Sex. Aber finden sie mal Sponsoren für Gewalt und Sex.“

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