: Behörde belehrt Krankenhaus
■ Mit Disziplinarmaßnahmen, Regreßansprüchen, Pensionskürzungen und detaillierten Verhaltensregeln will Gesundheitssenatorin Ordung in die St.-Jürgen-Klinik bringen
Während der St.-Jürgen-Untersuchungsausschuß fast täglich mit neuen Skandalen und Skandälchen aus Bremens größtem Krankenhaus aufwartet, bemüht sich die Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger, die Konsequenzen aus den aufgedeckten und Mißständen zu ziehen. Gestern gab sie vor der Presse ihren dritten „Sachstandsbericht“ dieser Bemühungen ab.
„Mein erster Vor-Ort-Besuch in der St.-Jürgen-Str. hat mich geradezu niedergeschmettert“, erinnerte sich Rüdiger gestern an ihre ersten Tage als neue Bremer Gesundheitssenatorin. „Bis zum Umfallen“ sei seitdem in ihrer Behörde geschuftet worden - Ergebnis: Die fristlose Entlassung des Einkaufsleiters Möhle, zwei disziplinarische Vorermittlungen, Regreßansprüche und Pensionskürzung gegenüber dem früheren Verwaltungsdirektor Aribert Galla, zwei Strafanzeigen gegen die Lieferfirmen überteuerter und schlechter Desinfektionsmittel sowie zahlreiche detaillierte Handlungsanweisungen, „damit in der Klinik endlich klar wird, was es heißt, Verant
wortung zu tragen“.
Vor allem im Hygienebereich, der in der St.-Jürgen-Str. jahrelang sträflich vernachlässigt worden war, soll nun ein senatorischer Erlaß für Ordnung sorgen. Persönliche Verantwortung beim ärztlichen Direktor, eine täglich tagende Hygiene-Kommission und enge Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Hygiene-Institut und dem Hauptgesundheitsamt bei der Beschaffung von Desinfektionsmitteln seien für eine Klinik dieser Größe zwar eigentlich Selbstverständlichkeiten, doch auch Selbstverständliches ist in der St.-Jürgen-Str. nun per Erlaß streng geregelt.
Dies gilt auch für die Genehmigung von Dienstreisen. Nachdem sich im November 87 Verwaltungsdirektor und ärztlicher Direktor der St.-Jürgen-Klinik gegenseitig eine gemeinsame USA-Reise bewilligt hatten, ist nun eine „neue, umfassende Verfügung“ in Vorbereitung, teilte Rüdiger mit. Darin sollen auch Dienstreisen geregelt werden, die mit Drittmitteln von Pharma-Konzernen oder dem St.-Jürgen -Förderverein finanziert werden.
Während in der Behörde an der juristischen Begründung von Regreßansprüchen gegenüber dem Ex-Verwaltungsdirektor Galla (1.500 Mark monatlich werden ihm bereits von der Pension abgezogen) und verschiedenen Lieferfirmen gearbeitet wird, liegt die Klinik selber in den letzten Zügen der Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen. 199 Mio Mark fordert die Klinik für 1988, 189 sind die Kassen bereit zu zahlen. Für den Schiedsspruch wünscht Vera Rüdiger dem Krankenhaus „viel Erfolg“. Zudem hofft sie auf die Verwirklichung eines Investitions-Sonderprogramms zur Beseitigung der wichtigsten baulichen und organisatorischen Mängel, für die aus dem Bremer Haushalt im nächsten Jahr ein „zweistelligen Millionenbetrag“ zur Verfügung gestellt werden solle.
Mit solchen bereitwilligen Zahlungen von Kassen und Senat seien schließlich auch die „verständlichen Vertrauensirritationen bei den Patienten“ gegenüber der Zentralklinik St.-Jürgen-Str. abzubauen, hofft die Gesundheitsenatorin.
Ase
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