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Besuch im Sozialhilfe-Hotel

■ Der grüne Abgeordnete Frehe besichtigte vier teure Absteigen

Sie heißen staatsmännisch „Alter Senator“, feudal „Hotel Krone“, weltstädtisch „Hotel Stadt London“ oder einfach bieder „Pension Walle“, das Dutzend Bremer Privatunterkünfte für SozialhilfeempfängerInnen. Doch hinter den seriösen Namen verbergen sich häufig verdreckte und überfüllte Absteigen. Mancher Hausbesitzer spekuliert auf eine schnelle Mark, wenn er vor Abriß oder Renovierung sein Gebäude erst nochmal für ein paar Jahre mit Bremens Armen füllt - die Miete von knapp 20 Mark pro Kopf und Nacht zahlt das Sozialamt. Gestern nachmittag tauchte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Frehe überraschend in vier solchen „Pensionen“ auf.

In einer „großen Anfrage“ hatten die Grünen bereits Anfang August vom Senat Auskunft über die Folgen der neuen Wohnungsnot für Bremens Arme verlangt. Zwar kippte das Thema wieder von der Tagesordnung der nächsten Bürgerschaftssitzung, doch Frehe wollte sich trotzdem einen eigenen Eindruck davon verschaffen, wie es in den „Hotels“ aussieht, in die das Sozialamt Arme, Drogenabhängige und AsylbewerberInnen steckt.

Den verkommensten Eindruck machte bei dem Rundgang die „Pension Remberti“, wenige Häuser vom Parteisitz der Grünen entfernt. Drei afrikanische Asylbewerber teilen sich einen 12 Quadratmeter-Raum. Für Tisch und Stühle ist kein Platz mehr. Heizen müssen die Bewohner mit einer kleinen Elektroplatte, von den Heizkörpern wurden die Ventile entfernt. Die Schranktüren hängen nicht mehr in den Angeln. Im Bad gibt es kein Licht, die Kontakte hängen lose aus der Wand. Warmes Wasser fließt nur mit Glück.

Über gut 200 Betten kann das Sozialamt in Pensionen dieser Art verfügen. Für deren Besitzer ist das eine lukrative Angelegenheit: 24.000 Mark monatlich kassiert allein der Besitzer der „Pension Remberti“ bei voller Belegung seiner 39 Betten, Ausgaben so gut wie keine. Denn außer einer deutsch-englischen Hausordnung bemerken die Bewohner der „Pension“ so gut wie nichts von der Existenz einer Verwaltung.

Strengere Ordnung herrscht dagegen im „Pfalzburger Hof“ in Hastedt. „Reinigung der Zimmer erfolgt durch Putzfrauen“, heißt es in der behördeninternen „Hotelliste“, in der alle 11 Billig-Unterkünfte beschrieben sind. „Gute Verhältnisse“ verspricht die Liste für das „Hotel Krone“ am Osterdeich, „Reinigung der Zimmer erfolgt täglich durch Putzfrauen“. Allerdings werden „nur maximal 4-5 Klienten vom Sozialamt aufgenommen“.

Horst Frehe nach seiner Besichtigungs-Tour: „Die Wohnheime dürfen nicht Endstation sein. Jeder Sozialhilfeempfänger muß die Möglichkeit haben, eine eigene Wohnung zu mieten. Deshalb müßten gegebenenfalls auch wieder Maklergebühren und Deponat übernommen werden.“

Ase

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