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Radio Bremen: wortlos und ungebildet

■ Programmdirektorin Sommerey verkündete neues Programmschema / Bildung, Jazz und Pop und politische Wortbeiträge drastisch zusammengestrichen / Parlamentswelle soll an NDR IV vergeben werden

Von „blankem Entsetzen“ sprechen die einen, vom „Niedergang der politischen Kultur bis auf's Niveau eines preußischen Kasernenhofs“ die anderen, von „überfallartigen Angriffen aus der Chefetage“ die dritten. Gemeint: Kein Geiseldrama, kein neuer Krankenhausskandal, kein konspiratives Komplott gegen unseren Bürgermeister. Gemeint: Schlicht die Pläne von Radio-Bremen-Programmdirektorin Karola Sommerey fürs neue Profil der Bremer Hörfunkwellen.

Völlig überraschend für die betroffenen Redaktionen und alle Mitarbeiter des Senders legte die Pogrammdirektorin am letzten Mittwoch intern vor, was sie sich für das kommende Jahr alles ausgedacht hat, um erstens zu sparen und zweitens den einzelnen RB-Wellen zu festen Zielgruppen und höheren Einschaltquoten zu verhelfen.

Nach dem bereits beschlossenen Ende von Rizz (pünktlich zum Freimarktbeginn bekamen am Samstag alle Rizz-Mitarbeiter schriftlich, daß der Sender ab 31.12. auf ihre Dienste verzichten wird) dürften die neuen Pläne vor allem in drei Redaktionen für Unruhe sorgen: Drastisch zusammengestrichen wird nach den Vorstellungen der Programmdirektorin im nächsten Jahr in den Bereichen Bildung, in der Jazz- und Pop -Redaktion und bei politischen Wortbeiträgen. So soll das Bildungsprogramm, auf RB II bislang mit täglich zwei Stunden Sendezeit vertreten, auf ein tägliches halbes Stündchen zusammenschrumpfen, Wiederholungen zum Mitschneiden für den Unterrichtseinsatz fallen vollständig weg. Stattdessen wird es

am Nachmittag „Ernste Musik“ geben. Auch das Schulfunk Beiheft wird ersatzlos gestrichen.

Ebenso wie die Bildungsredaktion fiel in der letzten Woche auch die Jazz- und Popredaktion aus allen Wolken. Ohne vorheriges Gespräch kündigte Hauptabteilungsleiter Wolfgang Hagen den Redakteuren an, für die Sendung „Mittagspause Musik für junge Ohren“ werde es im nächsten Jahr keinen Platz mehr bei RB II geben. Redaktion und Etat sollen ins vierte Programm „verschoben“ werden. Dort darf die Redaktion eventuell eine Sonntagvormittag-Sendung gestalten.

Auch die Zukunft von „Radiola“ ist nach den neuen Plänen ungewiß. Statt des bisherigen Jazz- und Pop-Magazins wünscht sich Hagen eine Country- und Western-Sendung.

Am „politischen Wort“ schließlich wird nicht nur in der Jugendfunksendung „Rizz“ gespart, sondern auch beim politischen Feature. Bislang wöchentlich mit einer Stunde Sendezeit ausgestattet, soll sich das Feature seinen Sendeplatz künftig mit der „Zeitaufnahme“ teilen. Die freiwerdende Sendezeit wird mit „E-Musik“ gefüllt.

Empörung herrscht im Sender aber nicht nur über die inhaltlichen Eingriffe ins RB-Programm, sondern auch über den Stil, in dem die Programm-Chefin und ihre Hauptabteilungsleiter die neuen Strukturen verkündeten. Feature-Redakteur Günter Demin wurde zur „Urteilsverkündung“ in Sachen Etat- und Sendezeit-Kürzungen kurzerhand zum Chefredakteur zitiert. Demin: „Mit mir ist voher nicht eine halbe Minute diskutiert wor

den. Die Entscheidung ist einfach von oben nach unten durchgeprügelt worden.“ Vor vollendete Tatsachen sieht sich auch die Jazz- und Pop-Redaktion gestellt. Redakteur Peter Schulze-Carstens: „Bis zur letzten Woche gab es einen einvernehmlichen Konsens, die 'Musik für junge Ohren‘ auf die frühen Abendstunden zu verlegen. Ohne jede Rücksprache wurde dieser Konsens jetzt aufgekündigt.“

Derweil hat sich die Programmdirektorin offensichtlich schon Gedanken gemacht, was mit unausgelasteten Redakteuren

nach der Programmstruktur Reform passieren soll: Zum Beispiel könnten sie dem NDR zuarbeiten. In einem persönlichen Brief vom 6. Oktober an den „lieben Herrn Dr. Kellermeier“ bietet Sommerey dem NDR -Hörfunk-Chef eine ganze Palette von Hilfsdiensten für das zukünftige NDR-IV-Programm an. Wenn NDR IV ab April 1989 mit einem reinen Wortprogramm auf Sendung geht, könnten - so der Sommerey-Vorschlag - die im eigenen Haus überflüssig gewordenen Bildungs-Redakteure z.B Sprachkurse, naturwissenschaft- Beiträge zuliefern.

Ähnliche Pläne schweben Sommerey offenbar auch für die Gastarbeiter-Sendung biz-bize, den Kinderfunk, das Funkkolleg und die RB-Wirtschaftsredaktion vor. Im Gegenzug bietet Sommerey dem NDR-Kollegen eine Sendefrequenz an: NDR IV, so schlägt die Hörfunk-Chefin vor, könnte in Bremen auf 95 MHz ausgestrahlt werden. Bislang waren auf dieser Welle Parlamentsdebatten und Live-Übertragungen der Untersuchungsausschüsse der Bürgerschaft zu hören.

K.S.

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