: „Drogenexporte sind ja auch verboten!“
■ Ulrich Albrecht, Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der FU Berlin zum Tornado-Geschäft mit Jordanien
taz: Die bundesdeutsche Finanzierung für das Tornado –Geschäft mit Jordanien ist geplatzt. Kann so etwas ein Rüstunggeschäft in ernsthafte Schwierigkeiten bringen?
Albrecht: Die Finanzierung ist meiner Meinung nach ein auch von den Kritikern völlig zu unrecht vernachlässigter Aspekt bei Waffenexportgeschäften. Es gibt im Regelfall Waffen auf Kredit und viele Geschäfte kommen mangels Finanzierung nicht zustande. Aufgrund der Devisenbestände bei deutschen Geschäftsbanken und anderen Finanzierungseinrichtungen spielt die Bundesrepublik bei internationaler Rüstungsfinanzierung eine weit überdurchschnittliche Rolle. Der Finanzhebel ist sehr wirksam. Mangels Krediten und mangels Liquidität auch bei den Lieferantenländern wie England sind Geschäfte nicht zustande gekommen und es gibt englische Rüstungsexporte z.B. nach Lateinamerika, wo ohne Bonner Zutun deutsche Geschäftsbanken die Finanzierung übernommen haben. Deutsche Geschäftsbanken haben z.B. bei den Luftbrücken im letzten Nahost-Krieg sowohl die Israelis als auch arabische Staaten teilfinanziert. Meine These ist daher, daß man über die Finanzierung den Waffenhandel sehr drastisch kontrollieren könnte. Das ist beim IWF/Weltbanktreffen in Berlin in einigen der kritischen Anhörungen auch sichtbar geworden.
Kommt denn in diesem konkreten Fall, dem Tornado-Export nach Jordanien, durch den Rückzug der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau die gesamte Finanzierung ins Wackeln?
Das ist in der Tat so. Wenn sich die staatliche Kreditanstalt mit ihrem nicht sehr hohen Kredit-Anteil zurückzieht, dann ist das in dieser sehr sensiblen Welt der Geschäftsbanken ein Alarmsignal, denn es handelt sich hier um eine Art freien Kapitalismus mit enomen Risiken, aber auch enormen Renditen, wenn die Geschäfte zustande kommen. Und die Bonität eines solchen Geschäftes gerät rasch in Zweifel, wenn staatliche Akteure sich nicht mit ihren bescheidenen Beiträgen daran beteiligen.
In den letzten Tagen klang aber durch, daß dann z.B. englische Kreditgeber einspringen würden.
Im Fall des Tornado-Verkaufs steckt zuviel englisches Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze und am Transfer, daß wahrscheinlich die britische Regierung einspringen wird. Aber wenn jemand den internationalen Waffenhandel tatsächlich drastisch reduzieren wollte, dann würde er über entsprechende Auflagen an Banken sehr viel ausrichten können.
Die Bundesregierung argumentiert jetzt: Gelder nein, Lieferung ja, denn sie könne aufgrund des Kooperationsvertrages mit England und Italien die Zulieferung gar nicht stoppen.
Hier verbirgt sich die Bundesregierung hinter einem internationalen Vertrag. Das Argument, das auch jetzt wieder bei der Planung für den Jäger 90 auftaucht, ist zumindest in Teilen ein Scheinargument. Wenn etwa die deutschen Bauteile der Tornados für Jordanien nicht geliefert würden, dann würde die britische Industrie mit Vergnügen einspringen tun. Wenn die Bundesregierung wollte, könnte sie sich schon aufgrund ihrer Finanzstärke und aufgrund der technologischen Bedeutung des bundesrepublikanischen Beitrags durchsetzen gegenüber Italien und Großbritannien, sie könnte bestimmen, daß gemeinsam produzierte Waffen nicht exportiert werden. Aber die Bundesregierung hat gar nicht den Willen, so etwas durchzusetzen. Den hatte sie schon nicht zu Regierungszeiten der Sozialdemokraten. Diese Haltung steht in einem merkwürdigen Widerspruch zu der ökonomischen Bedeutung, die Waffenexporte bisher haben. Es wird z.B. geschätzt, daß 40 80.000 Arbeitsplätze am Waffenexport hängen. Das ist nun umgerechnet auf 25 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in der Bundesrepublik insgesamt nicht sehr viel. Man sollte meinen, daß aufgrund so begrenzter gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sich die Bonner Politik dazu verstehen könnte, besonders mit Blick auf die deutsche Geschichte, im internationalen Waffenhandel zurückhaltender zu sein.
Setzen solche internationalen Kooperationsverträge geltendes deutsches Recht wie Kriegswaffenkontrollgesetz oder Außenwirtschaftsgesetz außer Kraft?
Das, was im Grundgesetz und in den Folgegesetzen steht, muß in jedem Fall vorgehen.Das sieht die Bundesregierung auch sehr klar. Deswegen hat sie früher Verstöße gegen diese Gesetze besonders bei Abkommen mit dem, in Bezug auf Waffenexporte sehr liberalen Frankreich auch geheim gehalten. Am saubersten würde man das lösen, wenn man ein Waffenexportgesetz novellierte. Darin müßte stehen, daß der Waffenexport grundsätzlich verboten ist. Ein solches Exportverbot hätte den Vorteil, daß bei Überschreitung dann nicht die Presse tätig werden muß oder ein Friedensforscher, sondern daß dann der Staatsanwalt gerufen ist.
Ein generelles Rüstungsexportverbot dürfte jedoch schwerlich durchsetzbar sein.
Wenn der politische Wille vorhanden ist – und in diese Richtung läuft die Diskussion auch in dem skandalgeplagten Schweden – dann ist das sehr wohl vorstellbar. Es ist ja auch verboten, Drogen zu exportieren, warum sollen nicht auch Waffenexporte grundsätzlich verboten sein? Es gibt vergleichbare Industrieländer, die das duchhalten, wie z.B. Japan, das im großen und ganzen darauf verzichtet, Produkte seiner Rüstungsindustrie zu exportieren. Man male sich doch nur einmal aus, wie der Rüstungs-Weltmarkt aussähe, wenn japanische Panzer ähnliche Erfolge hätten wie japanische Autos.
Das Gespräch führte: Vera Gaserow
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