■ LEUTE VON HEUTE: KLATSCH VON GESTERN
Geschichtsunterricht sinnlich präsentierten die hiesigen Amerikaner bei der „Election Party“ im Amerikahaus in der Wahlnacht. Während ein junger RiasII-Mann namens Christoph Lanz mit seinen stammtischartigen Ausführungen als Moderator selbst die bravsten deutsch-amerikanischen Kids zum Widerspruch reizte, bekamen die Gäste in den anderen Räumen eine Vorstellung davon geboten, wie man zu Zeiten der Prohibition eine Party feierte. Die Getränke wurden schlicht zurückgehalten, weil sie auszugehen drohten. Pressesprecher Sariti versuchte in Unkenntnis des Konzepts des anschaulichen Geschichtsunterrichts, das Ganze als ein Problem der Unwägbarkeiten des freien Marktes zu erklären: Die Nachfrage habe diesmal das Angebot bei weitem überschritten. Da nutzte es auch nichts, wenn des DGB eifrigster Berufsjugendlicher Detlef Prinz, der an einige der kostbaren und unökologischen beer-cans rangekommen sein mußte, von seinem einstigen Lehrer Mike Dukakis schwärmte, um von dem viel brennenderen Problem abzulenken, warum die Care-Pakete damals besser waren als das dort verabreichte Chili con Carne heute. Immerhin besteht für einige der dort darbenden Gäste, sofern sie im Rathaus tätig sind, Hoffnung auf bessere Zeiten. Dem Pächter der Rathauskantine, Masmoudi, wurde der Vertrag nach fünf Jahren nicht verlängert. Ein Jahr lang kann er noch seine „08/15 –Gerichte“ (Bezirksamt) kochen.
Bauchschmerzen macht dagegen den Abgeordneten zur Zeit ganz anderes: Wie kämpft man gegen die Langeweile im Parlament, verhindert Diskussionen und schlägt gleichzeitig wahlpolitisches Kapital daraus? Einer, der weiß, wie man's macht, ist CDU-Landesgeschäftsführer Klaus-Rüdiger Landowsky. Als AL-Mann Volker Härtig einen bis dato öffentlich fast unbekannten CDU-Hinterbänkler namens Dieter Hapel qua Backpfeife zu kurzem Ruhm und sichtlich guter Laune verhalf, fiel es nur Herrn Landowsky ein, das Gerangel in der Zeit der unpassenden Vergleiche zeitgemäß auszuschlachten. Seinen Fraktionskollegen Ulrich F. Krüger und Heide, die sich zu Hilfspolizisten ernannt hatten, vergaß er bei seinen Vergleichen mit der Weimarer Zeit ganz zu erwähnen. Volker Härtig selbst machte sogar um sich schlagend noch eine Politik, die auf Konsens hielt. Soviel parteiübergreifende Zustimmung, was den Adressaten der Ohrfeige betrifft, gab es selten im Rathaus Schöneberg.
Vor spärlichen Abgeordnetenhaus-Reihen entrollte die AL –Abgeordnete Sevim Celebi-Gottschlich nach einer Rede zum kommunalen Wahlrecht ein Transparent zum gleichen Thema. Der Effekt war natürlich gleich Null. Bei soviel Gelangweiltsein versucht man sich im Pöstchenverschieben. Soll die stellvertretende Parlamentspräsidentin Gabriele Wiechatzek (CDU) lieber SFB-Intendantin oder erste Parlamentspräsidentin werden? Könnte man nicht mit der langjährigen Berliner Bundestagsabgeordneten Liselotte Berger (CDU) als Nachfolgerin für Jenninger einen positiven Berlin-Effekt rausschlagen?
Marianne
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen