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Blüms Reform jetzt mit Milchglas-Patienten

In letzter Sekunde machte der Arbeitsminister überraschende Zugeständnisse an die Datenschützer: Vorerst kein „gläserner Patient“ / Gesetz hält allerdings an maschinenlesbarer Krankenversichertenkarte fest / Datenexperten warnen vor „wahnwitziger Technologie“  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Gegen die Datensammlungen, die mit der Gesundheitsreform geplant sind, sei „die Volkszählung nur ein Schatten“, hatte der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler monatelang gewarnt. „Gefährlicher Größenwahn, der für die Patienten langfristig weitaus gefährlicher ist als die finanziellen Schlechterstellungen der Gesundheitsreform“, wetterte man auch beim Berliner Datenschutzbeauftragten noch vor 14 Tagen. Grüne, Medizinergruppen, Ärzteverbände und selbst die Kassenärztlichen Vereinigungen prägten zu Recht das Schlagwort vom „gläsernen Patienten“.

In letzter Sekunde nun hat Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm mit zahlreichen Zugeständnissen an die Datenschützer seinen Kritikern zumindest aus dieser Ecke den Wind aus den Segeln genommen. Der Verzicht auf einen Teil der ursprünglich geplanten umfangreichen Dateien, aus denen die Krankheitsgeschichte eines jeden Patienten ablesbar gewesen wäre, markiert die einzige wesentliche Änderung im Blüm'schen Gesetzeswerk.

Wichtigster Rückzieher gegenüber der ursprünglichen Gesetzesvorlage: die ärztlichen Leistungen und Verordnungen, aus denen sich meist mühelos ablesen läßt, wer etwa zutief ins Glas schaut, an Depressionen leidet oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließ, werden nicht wie geplant versichertenbezogen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gespeichert. Das gefürchtete Versichertenverzeichnis ist damit vorerst vom Tisch, allerdings sollen stichprobenartig bei zwei Prozent der Ärzteschaft sogenannte Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen stattfinden, zu denen dann auch - ohne Angabe der Diganose Patientendaten herangezogen und mit den ärztlichen Leistungen abgeglichen werden.

Anders als ursprünglich geplant haben die Krankenkassen sich jetzt verpflichtet, ab 1992 auf die Verwendung der Rentenversicherungsnummer als Ordnungsmerkmal zu verzichten. Sie werden bis dahin eine gesonderte Krankenversichertennummer einführen. Damit wurden die Warnungen der Datenschutzbeauftragten entkräftet, die Rentenversicherungsnummer, die mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ihr Leben lang mit sich herumtragen und die im nächsten Jahr auch auf dem neugeschaffenen maschinenlesbaren Sozialausweis stehen soll, werde damit zu dem gefürchteten einheitlichen Personenkennzeichen. Das heute im Bundestag verabschiedete Gesetz zur Gesundheitsreform hält aber weiterhin an einer maschinenlesbaren Krankenversichertenkarte fest, die 1992 den alten Krankenschein ablösen soll. Allerdings darf diese Karte nur als eine Art Identitätsnachweis bei Ärzten und Krankenkassen verwandt werden.

Insgesamt jedoch, so urteilen die Datenschützer und auch die Kritiker aus der Opposition, könne man wohl, was die ganze Datensammelei angeht, kaum etwas gegen den Entwurf sagen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Schapper sieht allerdings die Gefahr, daß etliche der jetzt getroffenen positiven Regelungen nicht im Gesetzestext selbst festgeschrieben sind, sondern auf Vereinbarungen beruhen, bei denen man auf den good-will der Krankenkassen angewiesen sei. Und der stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte Garstka warnt vor der wahnwitzigen Technologie, die auch jetzt in Arztstuben und Krankenkassen Einzug halten wird, und fragt, was das wohl mit Kostendämpfung zu tun hat. Siehe Kommentar Seite 4

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