■ LEUTE VON HEUTE: KLATSCH VON GESTERN
Da schlugen die Herzen der BerlinerInnen höher, schließlich war Samstag abend eine Stimmung in der City wie weiland in den Fünfzigern bei den Filmfestspielen. Viel Prominenz war angereist zur Verleihung des Europäischen Filmpreises, das Gebiet um den Veranstaltungsort Theater des Westens war weiträumig abgesperrt, die Fans standen auf der anderen Straßenseite und sahen nicht viel, und die Polizeiwannen warteten auf ihren Einsatz im Hof der Jüdischen Gemeinde. Zum Galadiner sollten sich anschließend 800 geladene Gäste im Interconti treffen, doch nicht alle kamen. Milva, die Schernikau des italienischen Schlagers, blieb fern, dafür konnte der versierte Partygänger und freie Journalist Benedict Maria Mülder ihren Platz einnehmen und endlich ein paar vertraute Worte mit seinem Leinwandschwarm Nastassja Kinski wechseln. Diese, wie immer auch in der gestrigen Presse als arrogant gescholten, blieb ganz natürliche Unschuld und hatte selbst für den festlichen Abend völlig aufs Make-up verzichtet. Ganz dem ruinierten Ruf gerecht, zierte Denver-Alexis Joan Collins den Abend. Sie erschien mit sechs Smoking-Bodyguards, die mit vorsorglichen Rempeleien ihrem Schutzobjekt den Weg freischaufelten. Unterdessen tauschten SPD-Chef Walter Momper und TV-Reklame –Face Wolfgang Völz herzhafte Bruderküsse getreu dem russischen Vorbild. Den Tisch teilte der SPD-Obere mit dem griechischen Komponisten Mikis Theodorakis und erklärte deshalb kurzerhand seine Menüablage zum „fortschrittlichsten Tisch“ des Abends. Deutschlands Sieger, Wim Wenders, zeigte sich erstaunt, für seine „olle Kamelle“ Himmel über Berlin den Filmpreis bekommen zu haben, und versprach, die Felix-Statue auf seinem Schreibtisch im Kreuzberger Domizil zu placieren. Ganz polyglott versuchte sich der Erfinder des Abends, Kultursenator Volker Hassemer. Auf die Anspielung der Journalisten, die den Bronze-Felix mit dem Lateiner-Slogan Belli gerant alii tu felix austria nube kommentierten, parierte er gelassen: „Ich verstehe kein Türkisch.“ Um den Internationalen mal zu zeigen, was eines deutschen Altstars Harke ist, gab sich Rotz-Tröte Udo Lindenberg wieder mal ganz cool. Mit Hut, Sonnenbrille und Sektkelch schlurfte er durch den Star-Eingang des Musical –Hauses und machte sich anschließend – gleichermaßen lässig
–zu Fuß auf den Weg ins Interconti. Spekuliert wurde für den Rest der Nacht darüber, ob das Spektakel im nächsten Jahr wieder an der Spree über die Bühne gehen soll. Solange Paris kein verschärftes Interesse daran zeigt, wird die Stadt sich auch 1989 wieder für einen Abend als Glamour –Metropole profilieren können.
Ganz andere Sorgen hat zur Zeit die Journalistin Renee Zucker. Nachdem sie kürzlich ihr letztes Standbein in dieser Zeitung, eine viertel Stelle, gekündigt hat, bereitet sie sich nun auf ihren neuen Job bei Radio Bremen vor. Ab Januar 1989 soll sie als Frisch-Freche das ModeratorInnen-Team der Talkshow III nach neun komplettieren.
Marianne
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