: L E U T E V O N H E U T E
■ K L A T S C H V O N G E S T E R N
Zu einer Art Familientreffen hatten sich beim Charlottenburger Kulturverein Alt- und Ex-ALer getroffen, um darüber zu räsonnieren, ob die AL noch zu retten sei. Wolfgang Wieland rechnete bei der Gelegenheit vor dem verärgerten Auditorium mit aus der AL-Ausgetretenen ab. Nicht ganz unschuldig daran war Wolfgang Schenk, vor seinem Austritt Abgeordneter der Liste. Des abtrünnigen Wolfgangs Abrechnung, die in dem Aufruf gipfelte, diese Partei diesmal nicht zu wählen, löste eher Heiterkeit als Unmut aus. Ein Kommentar in der taz ersetze doch mindestens sechs Sitzungen, erklärte er launig zum Stellenwert von Öffentlichkeitsarbeit. taz-Kommentator Klaus Hartung ging zwischen den beiden Wolfgangs akustisch und inhaltlich unter. Dabei hatte er durchaus erstaunlich moderat Bedenkenswertes dazu zu sagen, warum er doch AL wähle. AL -Schatzmeister Volker Schröder schüttelte ob der Diskussion den Hut und forderte zu emotionaler und materieller Disziplin auf. Immerhin 800.000 DM bringe jedes Prozent der AL, und damit den Bewegungen. Schenk solle endlich aufhören so zu reden wie ein Geschiedener über seine Ex-Frau. Manche der AL-Leichenfledderer fanden sich später auf dem Geburtstagsfest des Anwalts Wolfgang Siederer (erst 30!) wieder und trafen dort auch auf AL-PolitikerInnen, deren Verhältnis zur Partei zwar auch libidinös, aber dennoch weniger gespalten ist. So die medienpolitische Assistentin der AL-Fraktion, Alice Ströver. Hochzufrieden war sie zunächst gewesen, weil sie als einzige Fraktionsassistentin keine Einladung der realpolitischen Grünen Panther erhalten hatte. Kurz darauf war dann doch eine der blaubedruckten Büttenkarten in ihrem Fach gelandet. Über diese Grenzüberschreitung beklagte sie sich heftig beim Abgeordneten Frank Kapek, einem „Panther-Mitstreiter“, der während seiner Parlamentsarbeit vor allem durch große Sprünge über Hundehaufen angesetzt hatte. „Provinziell“ sei sein neuer Wirkungsort Hannover, klagte auf dem selben Fest der ehemalige Berliner Verwaltungsrichter Klaus-Martin Groth, jetzt Umweltstadtrat in der Stadt an der Leine. Berlin sei ja zuweilen auch etwas dörflich, erinnerte sich der Verwaltungsrechtler.
Dörflich-provinziell ging es auch auf dem Presseball zu. Das immer weniger glanzvolle Möchtegern-Medienereignis konnte auch die vor zwei Jahren geplante Frischzellenzufuhr nicht retten. Damit der Ball nicht ganz zur Seniorenfete gerät, gibt es seit zwei Jahren Juniorenkarten für lächerliche 80 DMchen, während normal Sterbliche 250 Märker hinblättern müssen, um auch mal Prominente life zu sehen. Derer gab es wenige und nicht gerade die Aufregendsten, wie Eberhard Diepgen, Walter Momper, Helmut Kohl. Sinn fürs Repräsentative zeigte nur der französische General Paul Cann: Er hatte seinen Gala-Frack reichlich mit Orden bestückt. Sehenswert war ansonsten auch der attraktive Nachwuchs des geschaßten SFB-Intendanten Günther Herrmann. Herrmann-Senior amüsierte sich köstlich - trotz oder gerade wegen bevorstehender gutbezahlter Arbeitslosigkeit, konstatierte nicht ohne Neid
Marianne
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