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„Triangel„-Aktien im kriminellen Dreieck

Pariser Regierungsangehörige stehen im Verdacht, „Insider„-Wissen über eine Firmenübernahme illegal an Dritte weitergereicht zu haben / Trotzkis Leibwächter, ein Sprudelfabrikant und Mitterrands Trauzeuge mitten drin  ■  Von Alexander Smoltczyk

Weshalb reiste Mitterrand ins ferne Sofia? Weil er dort sicher sein konnte, keine Getränkedosen unter die Augen zu bekommen. Denn jene harmlosen, mit einer Aufreißlasche versehenen Zylinder stehen im Mittelpunkt einer Insider -Affäre, deren politische Auswirkungen noch nicht abzusehen sind. Gewiß ist nur: Enge Freunde und Berater des Staatspräsidenten haben durch solche Informationen nicht schlecht verdient, die nicht für ihre Ohren bestimmt sein sollten.

Alles begann im November letzten Jahres. Ruhig dümpelten die Aktienkurse der amerikanischen Triangle-Industries bei ihren üblichen 10.5 Dollar. Aus heiterem Himmel kamen am 15.November Kauforder über den großen Teich geflogen: Zwei Pariser Brokerbüros, eine Luxemburger und zwei Schweizer Finanzgesellschaften orderten 200.000 Aktien von Triangle. Weshalb? Vielleicht, weil am nächsten Tag der französische Aluminiumriese Pechiney die Absicht kundtat, über seine Verpackungstochter Cebal die Triangle-Tochter American National Can zu erwerben, den zweitgrößten Verpackunmgskonzern der Welt. Cebal bot 56 Dollar pro Triangle-Aktie...

Frankreich wogte im Freudentaumel. Nach einer schmerzhaften Umstrukturierung hatte die staatseigene Pechiney, Europas größter Aluminiumproduzent, 1987 wieder Gewinn gemacht und im ersten Halbjahr 1988 bei 24.4 Milliarden Umsatz einen Reingewinn von 744 Millionen Franc. Glorreicher Beweis für funktionierende staatliche Industriepolitk auch im Zeitalter des Liberalismus! Durch den Aufkauf von American Can, dem Produzenten der symbolträchtigen Softdrinkverpackungen, wurde Pechiney nun zum größten Verpackungsproduzenten der Welt. „Ein großer Schachzug der nationalen Industriepolitik“, lobte sich Verpackungskünstler und Premierminister Michel Rocard.

Eine simple Depesche von der amerikanischen Börsenaufsicht genügte, um Rocards Meisterstück in den Ruf einer Mogelpackung geraten zu lassen. Wie erkläre er es sich, so die Amerikaner, daß ein Käuferkartell so genau über das Angebot von Pechiney an Triangle informiert war, das doch nur einem kleinen Kreis in der Vorstandsetage von Pechiney, im Finanzministerium und im Hotel Matignon, dem Sitz Rocards bekannt sein konnte?

Über die Motive der Käufer brauchte dagegen nicht lange gerätselt zu werden. Allein die International Discount Bank mit Sitz auf der Karibikinsel Anguilla hat durch den rechtzeitigen Aufkauf von Triangle-Aktien rund drei Millionen Dollar verdient. „Die Transaktionen lassen darauf schließen, daß die Person, die die (Kauf-)Entscheidungen traf, eine intime Kenntnis des Verlaufs der Verhandlungen (zwischen Pechiney und American Can) hatte und im Besitz einer konkreten, nicht-öffentlichen Information war“, heißt es in der Depesche aus den USA.

Prompt machte sich die Pariser Börsenaufsicht COB ans Werk und spürte den Hintermännern der französischen Kauforders nach. Und siehe da, ihre Fährte führte ins Allerheiligste der Macht, in den Elysee-Palast. Zwei der wenigen Duz -Freunde Mitterrands stehen im Verdacht, plötzlich sehr reich geworden zu sein. Max Theret, ehemaliger Leibwächter Trotzkis, Gründer des Medienkaufhauses FNAC und ehemaliger Chef von dem sozialistischen 'Le Matin‘ kaufte 32.200 Triangles auf; Roger-Patrice Pelat, der Mitterrand einst in Kriegsgefangenschaft und Resistance, dann als Zeuge bis vor den Traualtar begleitete, konnte durch die Transaktion rund zwei Millionen Franc einstecken. Eine Spur führt in den Nahen Osten: 'Le Monde‘ nennt die Namen der in Paris ansässigen libanesischen Geschäftsleute Roger Tamraz und Samir Traboulsi. Letzterer, Mitglied der Ehrenlegion und ein Vertrauter unter anderem des Waffenhändlers Kashoggi, spielt als „Monsieur Unentbehrlich“ häufig eine Schlüsselrolle bei franko-arabischen Geschäften und ist befreundet mit Alain Boublil, dem Kabinettchef im Wirtschafts- und Finanzministerium. Auf Boublil konzentrieren sich auch die Ermittlungen der COB. Gab er die Informationen über Pechineys Pläne heraus?

Noch suchte die COB nach Beweisen, da sorgte Industrieminister Roger Fauroux für Aufsehen. In einem Interview erklärte er, daß auch die vor zwei Jahren privatisierte Bank Societe Generale in illegale Transaktionen verwickelt gewesen sei. Der Finanzier Georges Peberau habe nach dem Regierungswechsel im Sommer 1988 von höchster Stelle den Auftrag erhalten, den sogenannten „harten Kern“ der Societe Generale zu knacken, das hieß, in die dominierende, noch von Chiracs Finanzminister eingesetzte Aktionärsminderheit einzubrechen. Mehrere von der bevorstehenden Aktion Peberaus unterrichtete Personen, darunter illustre Gestalten wie die Chefs von Sprudelwasser „Perrier“ und Duftwasser „Oreal“, hätten, so Fauroux, einige Monate zuvor Societe-Generale-Aktien zum Kurs von 300 Francs gekauft und, nachdem durch Peberaus Kaufangebot der Kurs auf 540 Francs gestiegen war, wieder abgestoßen. Ein pikantes Detail: An dem Börsenspiel war die öffentliche „Caisse des Depots et des Consignations“ (CDC) mit mehreren Millionen Francs beteiligt, Frankreichs finanzkräftigstes Instrument der Industriepolitik qua Kreditvergabe. Die CDC ist nicht nur größter Wald- und Wiesenbesitzer des Landes, sondern hält einen großen Teil ihrer Aktiva in Aktien, wodurch sie zum wichtigsten Akteur am Pariser Aktien- und Obligationenmarkt wird.

Mitterrand und Rocard haben sich vor ihren Finanzminister Beregovoy gestellt und die „gezielten Gerüchte“ über beide Insider-Affären verurteilt. Gleichzeitig scheinen sie jedoch kalte Füße zu bekommen: Mehrere Journalisten der Zeitschriften 'Express‘ und 'Le Point‘ sollen, so wurde gestern bekannt, bei ihren Recherchen in Sachen Pechiney belauscht und abgehört worden sein.

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