: Operettenputsch
Stroessners Sturz bringt wenig Hoffnung für Paraguay ■ K O M M E N T A R
Anders als Pinochet sah sich Stroessner in den letzten zehn Jahren keiner breiten Opposition gegenüber. Und geschickt lavierte er jahrzehntelang zwischen den rivalisierenden Machtcliquen, verteilte Gunst, Strafe und Pfründen. Der Schmuggel, der in Paraguay doppelt soviel Einnahmen wie die Exporte erwirtschaftet, war und ist die Basis des Ausgleichs der Interessen der Machtgruppen des Landes. Anders als andere lateinamerikanische Diktatoren stützte Stroessner zudem seine Macht auf zwei Pfeiler: auf die Armee und auf die Colorado-Partei. Wer - ob als Soldat oder Lehrer - im öffentlichen Dienst arbeitet, muß der Partei beitreten, und wer Privilegien, Kredite, Ackerland oder einfach seine Ruhe haben will, ebenfalls.
An der Frage der Nachfolge des gealterten Diktators ist schließlich das sorgfältig austarierte Machtgefüge zerbrochen. General Rodriguez, der mächtigste Militär, jahrzehntelang in Stroessners Diensten, mit ihm politisch und familiär verschwägert, hat geputscht. Noch steht offen, ob sein Regime ein Stroessnerismus ohne Stroessner sein wird oder ob er dem Druck der USA, der Kirche und der städtischen Intelligenzija nachgibt und eine vorsichtige Öffnung des politischen Systems einleitet. Eine Demokratie im ärmsten Land des Subkontinents liegt allerdings in weiter Ferne. Die städtischen Oppositionszirkel sind nie zu Massenparteien geworden, und zwei Drittel der Bevölkerung sind abseits aller Politik auf dem Land mit ihrem Überleben beschäftigt. Drei Viertel aller Paraguayer sind nach Stroessners Putsch von 1954 geboren, und auch das übrige Viertel hat nie eine Demokratie gekannt. Anders als in Chile gibt es in Paraguay keine politische Kultur der demokratischen Auseinandersetzung. Bischof Mario Melanio Medina, einer der prominentesten Gegner Stroessners, hat vor einem Jahr eine traurige Bilanz von 34 Jahren Diktatur gezogen: Das Land sei „politisch verblödet“.
Thomas Schmid
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