: Puppe, Teddy & Co
Eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes zu Ästhetik und Sinn von Spielwaren ■ Aus Frankfurt Marion Scherpf
Eine Barbiepuppe! Schon zum dritten Mal hatte Gabi, neun Jahre, sie auf ihren Wunschzettel geschrieben. Weihnachten 1988 war die Mutter umgestimmt: „Skipper“ saß langbeinig und gelangweilt lächelnd unterm Tannenbaum. Daneben eine Garderobe zum Wechseln, modisch und bunt. Nachdem Gabi die Puppe dreimal umgezogen hatte, wußte sie nichts mehr mit ihr anzufangen und wandte sich interessanteren Spielsachen zu.
Kinder entscheiden sehr schnell, was „gutes“ Spielzeug ist und was „schlechtes“. Eltern haben darüber ihre eigenen Ansichten. Sie aber treffen eine Vorauswahl - um nicht zu sagen: Zensur, indem sie entscheiden, was gekauft wird.
Puppe, Teddy & Co, eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes, weist auf die manchmal unbewußten Geschmacks(vor)urteile hin, die beim Spielwarenkauf den Ausschlag geben können. Ohne die BesucherInnen zu belehren, will der Werkbund mit dieser Ausstellung auf Probleme hinweisen und zum Nachdenken anregen. Die angestrebte Neutralität haben die AustellungsmacherInnen allerdings nicht immer durchgehalten. „Häufig übertüncht eine vordergründige Erwachsenenästhetik in der Warenform die innere Form des Spielzeugs“, behaupten sie beispielsweise. Eine knackige These, freut sich die Besucherin. Sie würde jetzt gern mehr darüber erfahren, woraus die „Tünche“ besteht und was nach dem Abschminken zum Vorschein käme.
Im Mittelpunkt der Ausstellung sind, fast vier Meter hoch, Spielwaren aufgetürmt. Comic-Figuren aus Gummi grinsen dümmlich, der Herrscher der Insekten, mit beweglichem Kopf, Armen und Beinen, sitzt neben hölzern-braven Spielfiguren in einer Plastik-Puppenstube. Ein Kunstleder-Clown „zum Spielen, Lernen und Knautschen“ hockt neben Frottee -Hampelmännern. Pumuckl und Plüschelefanten, Teddies und ein „Traumauto“ in Pink, passend „für alle 29-Zentimeter -Ankleidepuppen“, eine dunkelhäutige Babypuppe mit schwarzen Locken und braunen Kulleraugen - alle sitzen einträchtig über- und nebeneinander. „Ein weites Feld für Ihre und unsere Lust zur Unterscheidung“, kommentiert der Ausstellungstext. „Es gibt schon Kriterien“, so wird da behauptet, „Proportionen, Ausdruck, Werkstoff - viel Spaß beim vergleichenden Sehen und Urteilen.“
Obwohl sich die Leute vom Werkbund alle Mühe gegeben haben, die erdrückende Massenhaftigkeit des Spielwarenangebots darzustellen, wirkt ihr Spielzeugturm erstaunlicherweise wie eine Erholung fürs Auge im Vergleich zu den vollgestopften Regalen der Kaufhäuser und Spielwarengeschäfte. Hier wie dort wird Monströses ausgestellt: Puppen mit abschraubbaren Köpfen zum Auswechseln, dazu ein Satz Lockenwickler und ein Schmink-Set: „Kopf ab zur Frisur“. Drachenköpfige, batteriebetriebene Ungeheuer, bebrillte Plastik-Känguruhs mit grellen Glitzerhaaren und auf- und zuschließbarem Beutel.
Die Ausstellung kombiniert diese Scheußlichkeiten mit Fotos von Atomkraftwerken, Tierversuchen, Hochhäusern, Schlachthöfen, abgemagerten Menschen, Walfang... Illustriert werden sollte die These „Auch die Spielwarenwelt spiegelt den Zustand unseres kollektiven Bewußtseins“.
Was als pädagogisch wertvolles Spielzeug gezeigt wird, ist selbstgemacht und besteht aus natürlichen Materialien: Tiere aus Kastanien, Eicheln und Tannenzapfen, gefaltete Figuren aus Papier, ein handgestrickter Bär. Hinter dieser Auswahl steht unausgesprochen der alte Gedanke Rousseaus, daß der Mensch von Natur aus gut und nur von Zivilisation und Gesellschaft korrumpiert ist. Denn als „gutes“ Spielzeug gilt Puppe, Teddy & Co alles Ursprüngliche, Einfache, das der kindlichen Phantasie möglichst viel Raum läßt. Unabhängig davon, ob diese Wertung stimmt oder nicht - sie entspricht ebenfalls einer Erwachsenen-Ästhetik.
Die Kids von heute haben andere Kriterien für das, was ihnen Spaß macht. So kommentierte denn ein etwa siebenjähriger Ausstellungsbesucher das einfache, selbstgenähte Stofftier mit den Worten: „Das soll vielleicht die Mutter von Tom & Jerry sein...“
Ein Erwachsener schrieb nach dem Ausstellungsbesuch seine Meinung auf die dafür vorgesehene Plakatwand: „Rigidität des Entweder-Oder ist jedem Spiel fremd, Kopfgeburten.“
Puppe, Teddy & Co war bis Ende Januar in Frankfurt zu sehen und soll nun auch in anderen bundesdeutschen Städten gezeigt werden, zuerst in München.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen