: Gute Beratung, schlechte Medikamente
■ Apotheken-Test: Öko-Test prüfte bundesweit 222 Apotheken, acht davon in Bremen / Wieviel liegt ApothekerInnen am Leid ihrer Kunden? / 56% aller bei dem Test verkauften Mittel sollen „ungeignet“ sein
Wie gut sind Apotheken, wenn es um die Beratung ihrer Kunden geht? Sind die von ApothekerInnen empfohlenen Medikamente wirklich so wirksam und ungefährlich, wie sie angepriesen werden? Auf diese Fragen haben MitarbeiterInnen der Zeitschrift „Öko-Test“ (Februar-Heft) mit einer bundesweiten Untersuchung eine Antwort gesucht. Tester und Testerinnen prüften 222 citynahe Apotheken in 27 Städten auf Herz und Niere, indem sie sich als Kunden über rezeptfreie Schmerz-, Grippe- und Abführmittel sowie Apetitzügler beraten ließen, acht Apotheken aus Bremen waren dabei: Bahnhof-, Adler-, Hulsberg-, Hillmann-, Sielwall-, Sonnen-und Einhorn-Apotheke und die Apotheke in der Obernstraße.
Zum Test von Öko-Test besuchte die taz einige der untersuchten Bremer Apotheken selbst noch einmal. „Wie lange hat ihre Oma denn schon Darmverstopfung“, erkundigt sich besorgt der Verkäufer in der Apotheke in der Obernstraße, um der taz fachkundig bei der Suche nach einem Abführmittel weiterzuhelfen. Nach Lage der Dinge rät er schließlich doch zum harmloseren Mittel: „Backpflaumen“. Diese Form der Beratung hatte auch bei Öko
Test ein „gut“ erhalten - die Jury vergab Noten von „sehr gut“ bis „ungenügend“.
In den Apotheken am Schüsselkorb und am Hillmannplatz plauderten Verkäuferinnen auf die Frage nach einem Appetitzügler aus dem Nähkästchen ihre eigenen Erfahrungen mit den Schlankmacher. Ihre Filialen hatten bei Öko-Test jedoch nur ein „ausreichend“ erzielt.
Die übrigen fünf von Öko-Test geprüften Bremer Filialen wurden mit „gut“ beurteilt. Sie gaben auch den Öko -TesterInnen wertvolle Hinweise zum Angebotenen und stellten Fragen nach Symptomen, Dauer der Erkrankung und Lebensangewohnheiten.
Bundesweit, so berichtet Öko-Test, gelang ein Drittel aller Mittel ohne ärztlichen Rat über den Ladentisch an ihre Käufer.
Bei der Medikamentwahl bewertete Öko-Test Präparate, die Nebenwirkungen hervorrufen können, aber wenig Heilung versprechen, als „ungeeigent“. Die Mehrzahl der getesteten Apotheken verkaufte solche Arznei. Bundesweit sollen sogar 56% aller bei dem Test verkauften Mittel „ungeignet“ sein. Die Zeitschrift warnt besonders vor den beliebten Kombinationspräparaten zur Schmerz- und Grippebekäm pfung: „In 85% der Apotheken wurde ein unsinniges Grippemittel verkauft.“ Auch die oft als harmlos angesehenen pflanzlichen Abführmittel seien gefährlicher als vergleichbare chemische.
Klaus Hofmann, stellvertetender Präsident der Bremer Apothekenkammer und selbst Apotheker, ist überhaupt nicht einverstanden: Die Untersuchung sei oberflächlich und nicht repäsentativ. Zu der Kritik am Verkauf der kombinierten Grippemittel meint er allerdings: „Was meinen Sie, wie oft nach diesen Präparaten verlangt wird, wenn ich die Nachtklappe aufmache. Soll ich dem da draußen im Regen mit seinem Schnupfen noch einen Vortrag halten?“ Auch das Ökomagazin spricht dieses Verhalten an: „Mischt sich der Pillen-Verkäufer zu sehr in die Krankengeschichte der Kunden ein, ist er ihn los“.
Der Rat des Öko-Magazins: Wer nicht genau weiß, auf welches Mittel er vertrauen kann, zeigt sich am besten interessiert: Dann wird er besser beraten. Kein/e ApothekerIn wird sich hingegen weigern, auch „ungenügendes“ Medikament zu verkaufen - wenn es gewünscht wird.
Heidrun Riehl
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