: „Noch ist alles möglich“
■ In der Alternativen Liste kommt die Ressort- und Personaldiskussion langsam in Schwung
Wer koalieren will, muß auch über Posten reden. Anfangs hatte man den Eindruck, daß sich die AL dieser Banalität nur widerwillig stellen wollte. Inzwischen kreist das Personalkarussel mit wachsender Geschwindigkeit. Zur Verteilung zwischen SPD und AL stehen insgesamt 12 SenatorInnensessel und eine Vielzahl von StaatssekretärInnenposten (die in Berlin „Senatsdirektoren“ heißen). In vier Ressorts würde die Igel-Partei, wenn es allein nach ihr ginge, gerne Chef oder Chefin stellen. Aber in welchen?
Als Objekte der alternativen Begierde sind sechs Senatsabteilungen im Gespräch: Umwelt, Verkehr, Justiz, Schule, Kultur und das Ressort Jugend und Familie, das die AL mit einem Schwerpunkt Frauen anreichern möchte.
Auch Namen werden nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gehandelt. Als Umweltsenator steht der Berliner Anwalt Reiner Geulen auf der Wunschliste. Geulen, Nicht-AL-Mitglied mit gesundem Selbstdarstellungsinteresse und gutgehender Kanzlei in Kudammnähe ist bundesweit als erfolgreicher Umweltanwalt bekannt geworden - von Gorleben bis Kalkar, von Hanau bis zur Dreckschleuder der Nation in Buschhaus. In Berlin ist er beteiligt an dem Verfahren gegen die Müllverbrennungsanlage Schöneiche auf dem Territorium der DDR. Einst focht er auch erfolgreich gegen neue Autobahnschneisen in der Stadt.
Geulen würde den neuen Job gern machen, jedoch unter Bedingungen. Zum einen grämt sich der Anwalt, daß das Umweltressort von ausgesprochen engem Zuschnitt ist. So fällt die Genehmigung des derzeit im Umbau befindlichen Forschungsreaktors des Hahn-Meitner-Instituts in Wannsee in die Kompetenz des Wirtschaftssenators - den die SPD stellen wird. Zum andern geht Geulen mit sehr konkreten Vorstellungen über den personellen Unterbau seiner Behörde in die Verhandlungen mit der AL. Daß der Anwalt „aus dem Holz geschnitzt ist, aus dem Senatoren sind“, glauben auch Leute, die der SPD nahestehen. Das Holz jedoch ist eher klassisch strukturiert, der alternative Anstrich dünn.
Ob die AL überhaupt auf der Besetzung ihres „geborenen“ Ressorts bestehen wird, ist keineswegs sicher. Als SPD -Alternative steht Norbert Meisner, stellvertretender SPD -Landeschef, bereit. Ihn würde die AL wohl ertragen, zumal sie dann mit größerer Aussicht auf Erfolg den Verkehrssenat für sich beanspruchen könnte. Bei der Besetzung bemüht sie sich um Beistand aus Bonn. Im dortigen Verkehrsausschuß hat sich die Grünen-Abgeordnete Helga Rock, so ein Beobachter, durch Sachkompetenz und eine bemerkenswerte „Dickköpfigkeit“ gegenüber der Koalitionsmehrheit hervorgetan. Diese Eigenschaft würde für eine AL-Senatorin in der traditionell konservativen Berliner Verkehrsverwaltung zur Grundausstattung gehören. Es ist jedoch keineswegs klar, ob Frau Rock, Mutter eines kleinen Kindes, ihren Bonner Abgeordnetenplatz unter den von der AL gebotenen Bedingungen - „Einheitslohn“ 2.400 Mark - gegen den Berliner Schleudersitz tauschen will.
Der Facharbeiterlohn könnte sich auch bei anderen als Hindernis erweisen. Das sehen wohl inzwischen auch manche in der AL so und sinnen auf eine flexiblere Regelung, die die Liste der WunschkandidatInnen nicht von vornherein verkürzt.
Ebenfalls von der AL angesprochen wurde Helmut Holzapfel aus dem Düsseldorfer Verkehrsministerium - obwohl er ein SPD -Parteibuch hat. Der Verkehrsfachmann, der „eine Frau als Verkehrssenatorin toll“ fände, würde gern als Staatssekretär nach Berlin wechseln, wenn nicht nur die AL, sondern auch seine Partei ihn rufen würde. Holzapfel hält den Verkehrssenat für ein Schlüsselressort, weil er sich teilweise selbst finanzieren und vor allem auch „gestalterisch was tun kann“.
Wenn die AL sich im Bereich Frauenpolitik mit ihren Vorstellungen durchsetzen kann und die Senatsverwaltung für Jugend und Familie um diesen Schwerpunkt erweitert wird, käme die renommierte Sprachforscherin Christina Thürmer-Rohr als Senatorin in Frage. Im Bereich demokratische Rechte möchte die AL auf jeden Fall vertreten sein. Da der Innensenat nie in Frage kam, bleibt das Justizressort. Der Rechtsanwalt und AL-Vorständler Hans-Christian Ströbele, dessen Name in diesem Zusamenhang häufig genannt wird, kennt „eine Reihe fähiger Leute, die ich mir vorziehen würde“. Entschieden sei jedoch nichts. Ströbele: „Alles ist möglich.“
Ein Auge haben die ALer auch auf den Schulsenat geworfen und sich auf die Suche nach fähigen Frauen begeben. Als chancenreich gilt hier die stellvertretende Berliner GEW -Vorsitzende Sibylle Volkholz. Und schließlich brachte das Berliner Stadtmagazin 'Zitty‘ den Präsidenten der Hochschule der Künste, Ulrich Roloff-Momin, als Kultursenator ins Spiel. Ob jedoch Roloff-Momin, „einer der wenigen fortschrittlichen Leute, die einer Berliner Institution vorstehen“ ('Zitty‘), für den Job erwärmt werden kann, will er „von den Inhalten abhängig machen“. Bisher allerdings hat den Hochschulpräsidenten, der 1982 nach Genschers Wende der FDP den Rücken kehrte, „noch niemand direkt angesprochen“.
Gerd Rosenkranz
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