: Plutoniumlager in Mitterteich
In der Oberpfälzer Sammelstelle lagert hochradioaktiver Atommüll / Lager ist nur für schwachradioaktives Material ausgerüstet / Auch Transporte aus Karlsruhe gingen nach Mitterteich ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg (taz) - Die Atommüll-Sammelstelle in Mitterteich ist gefährlicher als ein Atomkraftwerk. Obwohl das Oberpfälzer Lager nur für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgesehen ist, lagern dort mindestens 50 Gramm Plutonium 239 und 241. Dabei haben die Gebäude keinen Berstschutz und sind damit nicht gegen Flugzeugabstürze ausgelegt. Genau über Mitterteich verläuft die Flugroute nach Prag. Genehmigungswidrig wird dort auch Atommüll aus außerbayerischen Anlagen gelagert. Der oberfränkischen „Bürgerinitiative gegen Atomtransporte“ liegen entsprechende „lückenlose Unterlagen“ über Transporte im Zeitraum von Mai 1988 bis Dezember 1988 per Bundesbahn nach Mitterteich vor. Zusammen mit der Bürgerinitiative fordern die bayerischen Grünen, das Genehmigungsverfahren für die Sammelstelle neu aufzurollen oder die Anlage sofort zu schließen.
Die Landessammelstelle in Mitterteich ist insgesamt für 50.000 Atommüllfässer ausgelegt. 10.000 Fässer radioaktiver Abfälle aus Medizin, Forschung und Industrie dürfen in einer Metallblechhalle gelagert werden. In der Stahlbetonhalle („EVU-Halle“) haben 40.000 Fässer mit Müll aus Atomkraftwerken Platz. Seit Betriebsbeginn im Sommer 1987 wurden in der EVU-Halle etwa 300 Fässer eingelagert. Insbesondere fünf Transporte zwischen dem 26. Oktober und 11. November 1988 haben die BI stutzig gemacht. Absender von insgesamt 220 Tonnen, deklariert als Plutonium 239 und 241, war jeweils das AKW Isar I in Ohu. Alle Transporte wurden von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig genehmigt, das radioaktive Inventar betrug etwa fünf Billionen Becquerel. Aus diesen Angaben errechnete Fortsetzung Seite 2
BI-Sprecher Eberhard Bueb, daß damit mindestens 50 Gramm Plutonium 239 und 241 in die Sammelstelle geliefert worden sind. „Das Material kann nur aus einer Wiederaufarbeitungsanlage stammen, zum Beispiel aus dem belgischen Mol“, vermutet Bueb, denn im Falle von abgebrannten Kernbrennstäben aus Isar I müßte neben Plutonium eine Vielzahl anderer Isotope deklariert werden. Entsprechend den Unterlagen ist dies bei Transporten ab dem 11. November 1988 auch der Fall.
Obwohl in den Genehmigungsunterlagen nie von Plutonium -Isotopen die Rede war, mußte das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen im Dezember 1988 zugeben, daß trotzdem Transportgenehmigungen ausgestellt wurden, in denen pro Faß maximal 30 mg Plutonium 239 und 1 mg Plutonium 241 zugelassen sind. Das Ministerium versucht zu beschwichtigen, daß der tatsächliche Wert in den Fässern „um den Faktor zehn unterschritten“ würde. Anhand der Transportgenehmigungen hochgerechnet, kommt Bueb bei 40.000 Fässer auf 1,3 Kilogramm Plutonium. Angesichts seiner Unterlagen rechnet er jedoch mit wesentlich größeren Mengen.
Ähnliche Ungereimtheiten bestehen auch über den Transport, der am 28. Juli 1988 vom Kernforschungszentrum Karlsruhe nach Mitterteich gegangen war. Nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums handelte es sich dabei um radioaktive Abfälle aus Medizin, Forschung und Industrie. Diese wären aus bayerischen Anlagen zur Aufarbeitung nach Karlsruhe und von dort endlagerfähig konditioniert nach Mitterteich geschickt worden. Bueb bezeichnete diese Version schlicht als „Unsinn“. Derartige medizinische Abfälle würden nicht mehr aufgearbeitet, sondern gleich konditioniert. Das geschieht aber in Neuherberg (Südbayern).
Ein Sprecher der Betreibergesellschaft von Mitterteich wies inzwischen alle erhobenen Vorwürfe zurück. Für jedes Faß gebe es entsprechende „ordentliche Begleitpapiere“, Grenzwerte für Plutonium seien zumindest in den Störfallbetrachtungen enthalten. Die Bürgerinitiative will jetzt den Atomwissenschaftler Helmut Hirsch mit einem Gutachten über Mitterteich beauftragen, um dann zusammen mit den Grünen auf dem Gerichtsweg entweder eine Schließung der Anlage oder ein völlig neues Genehmigungsverfahren zu erzwingen.
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