Quer durch den Sicherheitsdschungel

■ Von Vermummung bis Vorbeugehaft / Was sich mit dem „Artikelgesetz“ alles ändern soll

Das Gesetzespaket zur „inneren Sicherheit“ wurde vom Kabinett im Dezember 1987 beschlossen, als Vorwand dienten die Schüsse an der Frankfurter Startbahn einen Monat zuvor. „Artikelgesetz“ wird es genannt, das bedeutet, daß es sich mit Ausnahme der Kronzeugenregelung - um Änderungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsrechts handelt und nicht um ein abgeschlossenes neues Gesetz.

Fallengelassen wurde der ursprünglich geplante Zensurparagraph 130b („Befürwortung von Straftaten“) - teils als Antwort auf die hier besonders heftige öffentliche Kritik, vor allem aber wegen seiner mangelnden Praxistauglichkeit. Aus diesem Grund und als Zuckerbrot für die FDP verzichtete die Koalition auch auf die bußgeldbewehrte Kooperationspflicht von Veranstaltern gegenüber der Polizei.

Zur Verabschiedung im Bundestag steht jetzt an:

-Vermummung und passive Bewaffnung, bisher Ordnungswidrigkeiten, werden zur Straftat (Knast bis zu einem Jahr oder Geldstrafe); dies gilt bereits auf dem Weg zur Versammlung sowie bei „Zusammenrottungen“ danach.

-Strafbar macht sich, wer zu einer verbotenen oder für aufgelöst erklärten Demonstration aufruft (Strafmaß wie oben); die bloße Teilnahme bleibt eine Ordnungswidrigkeit.

-Die Polizei ist bei Straftaten zum Eingreifen verpflichtet; hält sie es im Einzelfall nicht für opportun, muß das der Einsatzleiter auf seine Kappe nehmen und kann gegebenenfalls wegen Strafvereitelung im Amt belangt werden.

-In Vorbeugehaft können Demonstranten genommen werden, die zum wiederholten Mal des schweren Landfriedensbruchs verdächtig sind. Eine einschlägige Verurteilung, die die Strafprozeßordnung bei allen anderen Delikten zur regulären Voraussetzung der Haft macht, ist nicht nötig.

-Für Geiselnahme sowie Diebstahl von Waffen und Sprengstoff wird die Mindeststrafe von bisher drei auf fünf Jahre Knast erhöht.

-Für „besonders schwere Fälle“ der „Störung öffentlicher Betriebe“ wird eine neue Höchststrafe von zehn Jahren eingeführt. Hier geht es ums Strommastsägen, denn ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn die Versorgung der Bevölkerung „mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft beeinträchtigt“ wird.

-Eine „Kronzeugenregelung“ (siehe nebenstehender Artikel) wird - zunächst befristet bis 1992 - eingeführt.

-Nicht zu diesem Gesetzespaket gehören die Entwürfe zum Datenschutz, zur Zusammenarbeit der Geheimdienste usw., die häufig auch als „neue Sicherheitsgesetze“ bezeichnet werden.

cw