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Scherbengericht gegen Wohnungsnot

Großdemonstration gegen die Bodenspekulation in Zürich: größter Sachschaden seit Jahren  ■  Aus Zürich Dietmar Bartz

Mit dem größten Sachschaden seit Anfang der achtziger Jahre endeten am Samstag in der Bankenmetropole Zürich die Aktionswochen „Wohnen tut not“. Aus einer Demonstration mit mehr als 3.000 TeilnehmerInnen heraus nahm die Polizei einen Sprayer fest. Nach der Abschlußkundgebung versuchten daraufhin mehrere hundert TeilnehmerInnen, in die noble Bahnhofstraße zu gelangen.

Ausgerechnet am Areal des ehemaligen autonomen Jugendzentrums (AJZ) wurden sie von der Polizei gestoppt. Über Barrikaden aus Müllkontainern flogen Steine, Flaschen und Molotowcocktails. Die Polizei antwortete mit Tränengas und Gummigeschossen und trieb mehr als hundert DemonstrantInnen in ein verwinkeltes Büroviertel am gegenüber liegenden Limmatufer. Dort gingen an Banken, Hotels und Luxusgeschäften zahlreiche Scheiben, Vitrinen und Auslagen zu Bruch. Eine Polizeiwanne, deren Besatzung durch Steinwürfe vertrieben worden war, brannte aus.

Der Sachschaden dürfte die Viertelmillion Franken, die die Polizei noch am Nachmittag eilig schätzte, weit übersteigen. Niemand wurde festgenommen. Schon an den drei letzten Donnerstagen hatten kleine Demonstrationen mit einigen hundert TeilnehmerInnen mit Tränengas und Gummigeschossen geendet.

Die Wohnungsnot, gegen die sich die Aktionswochen und die Demonstrationen wendeten, hat in der Bankenstadt ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Der rührige Zürcher Mieterverband hat ausgerechnet, daß einE DurchschnittsverdienerIn zwei Drittel ihres Einkommens für eine Dreizimmerwohnung ausgeben müßte. Auf ein kleines Inserat, mit dem eine Vierzimmerwohnung für 1.200 Franken angeboten wurde, meldeten sich innerhalb von fünf Stunden über 700 Interessierte. Für StudentInnen ist die Wohnungssuche fast zwecklos.

Die Bankenexpansion und eine atemberaubende Bodenspekulation haben zudem zu Plänen geführt, mehrere Wohnbezirke in der Bahnhofsgegend abzureißen und Dienstleistungszentren für die Geld- und Vermögensverwaltung zu errichten. Hier stehen bereits ganze Häuserzeilen leer; andere Häuser werden von ihren BewohnerInnen im „Auszugsstreik“ besetzt. Derweil berät das Bundesparlament darüber, ob Wohnungseigentümer demnächst wenigstens Gründe angeben müssen, wenn sie ihren MieterInnen kündigen.

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