: Gorbatschows Kuba-Besuch reizt die USA
US-Präsident Bush und sein Vize Quayle betonen anläßlich der Gorbatschow-Reise, daß Lateinamerika „im Hinterhof der USA“ liege / KubanerInnen wollen den Generalsekretär feiern / Castro und Gorbatschow werden über Differenzen in der Wirtschaftspolitik sprechen ■ Von Ralf Leonhard
Berlin/ Washington (taz) - Gorbatschows Kuba-Visite wirft ihre Schatten voraus, auch in Washington. Wenige Tage bevor der Generalsekretär der KPdSU am 2. April in Havanna erstmals lateinamerikanischen und karibischen Boden betritt, greifen George Bush und seine Mannen auf die Monroe-Doktrin zurück, um ihren Hinterhof gegen unerwünschte Einflüsse zu verteidigen. Während zwischen Havanna und Moskau vor allem darüber spekuliert wird, ob der Reformer Gorbatschow den Revolutionsführer zur Übernahme der Perestroika auffordern wird, halten die US-amerikanischen Politiker alle Differenzen zwischen den Staats- und Parteichefs für Show. William Safire, konservativer Starkolumnist der 'New York Times‘, warnt Washington vor einer Entkrampfung der Beziehungen zu Havanna.
Ein Medienspektakel wird die Kubareise auf alle Fälle. An die tausend Korrespondenten haben sich für das Großereignis akkreditieren lassen, und die großen Networks werden jeden Schritt des Kremlchefs in die Wohnzimmer der US-Bürger projizieren. In Havanna, wo Leonid Breschnews Besuch vor 23 Jahren mit großer Indifferenz aufgenommen wurde, kann Gorbatschow mit einer überschwenglichen Begrüßung durch die Bevölkerung rechnen. Eine halbe Million Kubaner sollen am Sonntag die Straße zum Flughafen säumen.
Die Popularität des Erfinders der Perestroika macht es den US-Strategen immer schwerer, den „russischen Bären“ als gefährliche Bedrohung für die Lateinamerikaner darzustellen. Deswegen hielt es Vizepräsident Dan Quayle am Donnerstag für notwendig, zu betonen, daß Lateinamerika „im Hinterhof der USA“ liege. George Bush hat Gorbatschow eine „persönliche Botschaft“ zukommen lassen, in der er die Kürzung der sowjetischen Waffenlieferungen an die Sandinisten und den Einsatz Moskaus für eine diplomatische Lösung in Zentralamerika fordert. Bush sieht offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen seinem Entschluß, die Demobilisierung der Contra zu verhindern, und dem anhaltenden Verteidigungsbedürfnis der Regierung in Managua. Und auch Außenminister Baker stimmte in das Konzert ein, als er Donnerstag in einer Rede in Atlanta gegen das Engagement der sozialistischen Länder in Lateinamerika wetterte: die Region sei „keine Deponie für Waffen und fehlgeschlagene Ideologien“.
Weder um Waffen noch um Ideologien, sondern in erster Linie um wirtschaftliche Probleme wird es bei dem Treffen in Havanna gehen. Kuba ist es in 30 Jahren Revolution nicht gelungen, die einseitige Abhängigkeit von Moskau abzubauen. Und die von Fidel Castro verordnete „Rectificacion“ hat nichts mit wirtschaftspolitischen Liberalisierungen Osteuropas zu tun, sondern mit der Beseitigung von Irrtümern auf dem klassischen Weg zum Sozialismus. Darüber wird es wohl ernsthafte Diskussionen geben, denn Gorbatschow ist nicht willens, den ideologischen Purismus der Kubaner auf Dauer zu finanzieren. Zentralamerika steht neben dem südlichen Afrika zwar auf der Tagesordnung, doch geht es dabei bestimmt nicht um bewaffnete Abenteuer. Sowohl Moskau als auch Kuba unterstützen den Friedensplan von Esquipulas. Die Sowjets werden aber Nicaragua nicht fallenlassen, solange die USA nichts unversucht lassen, um die Sandinisten zu beseitigen. Fidel Castro seinerseits wird die Aussicht auf eine akzeptable Verhandlungslösung in El Salvador nicht dadurch gefährden, daß er der FMLN die Unterstützung entzieht.
Klein nach Nicaragua
Nachdem US-Außenminister Baker angekündigt hat, seine Regierung schließe direkte Gespräche mit der nicaraguanischen Führung nicht aus, bahnt sich auch in Bonn eine Normalisierung der Beziehungen zu Nicaragua an. Der Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit Klein (CSU) hat seine im Vorjahr abgesagte Nicaragua-Reise jetzt für kommenden Juni geplant. Dort möchte er sich selbst überzeugen, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der vor sechs Jahren gestoppten Wirtschaftshilfe gegeben sind. Rund 40 Millionen Mark liegen seit 1982 auf Eis.
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