: Erfolgloser Koka-Putsch auf Haiti
Entmachtung von Staatschef Avril verhindert / USA setzen General unter Druck / Militärs zu dick im Drogenhandel / Washington macht Finanzhilfe für marode Insel von Stopp der Drogengeschäfte abhängig ■ Von Ralf Leonhard
Berlin (taz) - Das Militärregime von Haiti hat am Sonntag einen Putschversuch hoher Offiziere verhindern können. Staatschef Generalleutnant Prosper Avril war im Morgengrauen von aufständischen Soldaten festgenommen und mehrere Stunden in einer Kaserne festgehalten worden. Die Putschisten meldeten bereits die Ankunft Avrils in der benachbarten Dominikanischen Republik. Doch auf dem Weg zum Flughafen wurden sie von loyalen Militärs aufgehalten. Prosper Avril, der selbst durch einen Staatsstreich am 17. September des Vorjahres an die Macht gekommen war, wurde in den Nationalpalast zurückgebracht.
An der Spitze der Putschisten standen die Obristen Himler Rebu, der Chef der „Leopards„-Elitetruppe, und Guy Fran?ois, der Kommandant des mächtigen Dessalines Bataillons. Prosper Avril hatte schon vergangene Woche gegenüber US -amerikanischen Kongreßabgeordneten von einer Verschwörung gewisser Offiziere gesprochen. Avril habe die Bemühungen der Vereinigten Staaten, den Drogenhandel via Haiti einzudämmen, unterstützt, versicherte der demokratische Abgeordnete Peter Kostmayer der 'Washington Post‘. Ende März, nur einen Tag nach dem Besuch von Richard Melton, dem für die Karibik zuständigen Staatssekretär im State Department, waren mehrere Offiziere, die mit dem Kokainhandel saftige Gewinne machten, aus dem aktiven Dienst entfernt worden. Die Putschisten mußten fürchten, demnächst selbst an die Reihe zu kommen. Melton hatte die Wiederaufnahme der Wirtschaftshilfe an einen baldigen Übergang zu einer Zivilregierung, mehr Respekt vor den Menschenrechten und Maßnahmen gegen den Drogenhandel geknüpft.
Soweit den noch widersprüchlichen Meldungen aus Haiti zu entnehmen ist, brach der Putsch zusammen, als Armeechef Herard Abraham sich weigerte, die Staatsführung zu übernehmen. Abraham dürfte erkannt haben, daß eine Regierung aus Drogengenerälen nicht mit dem Segen Washingtons rechnen könne. Die Mehrheit der Truppen, die sich bis dahin abwartend verhalten hatte, stellte sich darauf hinter den ehemaligen Duvalier-Berater Avril. Haiti dient seit Jahren als Brücke und Umladeplatz für Drogentransporte von Kolumbien in die USA. Schon Jean-Claude Duvalier, der 1986 aus dem Lande gejagt wurde, war ins profitable Drogengeschäft eingestiegen. Bei allen Staatsstreichen, die das ärmste Land des Kontinents seither heimgesucht haben, waren Drogengeschäfte im Spiel. Der jüngste Putsch war der dritte in zehn Monaten und der fünfte seit „Baby Docs“ Abgang.
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