Haus besetzt, Kirche unter Druck

BesetzerInnen retten kirchliches Haus vorm Abriß / Aber noch ist die vermittelnde Stadt „lachende Dritte“, weil sie Platz für Aussiedler gewonnen hat / BesetzerInnen weichen nicht ohne konkrete Alternative  ■  Aus Bottrop Petra Bornhöft

Hausbesetzungen zählen nicht zum Alltag des Ruhrgebietes. Das Zwischenergebnis einer solchen Aktion in Bottrop ist ausgesprochen kurios: Die BesetzerInnen retteten ein kirchliches Haus vor dem Abriß und verhalfen der Stadt zu dem lange vergeblich begehrten Wohnraum für Aussiedler. Heute morgen wird sich entscheiden, ob das seit Gründonnerstag von etwa 25 Personen besetzte Haus der katholischen Kirche freiwillig verlassen oder von der Polizei geräumt wird. Nach mehrfachen Verhandlungen mit der Stadt und der Kirche erklärten die BesetzerInnen gestern, sie blieben solange in dem Haus, bis die Kommune ihnen „ein alternatives Objekt für die Verwirklichung unserer Vereinsziele anbietet“. Der „Verein für freie Kulturentfaltung, kommunikatives und selbstbestimmtes Leben und Arbeiten“ will Räume, in denen Menschen wohnen und nicht parteipolitisch oder konfessionell gebundene Gruppen sich treffen können.

Deshalb wurde das Haus besetzt, zwei Tage nachdem die Herz -Jesu-Gemeinde für ihre seit zwei Jahren leerstehende frühere Kaplanei die Abrißgenehmigung in der Tasche hatte. Angeblich weil das Haus baufällig und eine Renovierung zu teuer sei, wollte die Kirche große Teile des Grundstückes verscherbeln und auf dem Gelände profitable Neubauwohnungen errichten.

Nachdem die BesetzerInnen zur Tat geschritten waren, bescheinigten Architekten und Handwerker dem Haus einen passablen, wenn auch renovierungsbedürftigen Zustand. Eine Welle von Sympathie und praktischer Hilfe durch Nachbarn, Initiativen und einige Politiker unterstützte die BesetzerInnen. Der Kirchenvorstand indes gefiel sich zunächst in Beschimpfungen der „Chaoten“, deren Hauptmotivation „die Freude an ungesetzlichen Aktionen“ sei. Plötzlich bemerkten die Katholiken, daß das zweistöckige Doppelhaus doch nicht so baufällig sei. „Wir könnten den Platz gut gebrauchen für unsere Pfarrbücherei und die Bastelkurse“, so Pfarrer Horstmann zur taz.

Auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Nutzungskonzept der neuen BewohnerInnen ließen die Katholiken sich nicht ein, sowohl aus kommerziellen Interessen ihrer Kirchenvorstandsmitglieder als auch aus Angst vor der „atheistischen Laus“, die sich da eingenistet hatte. Sie stellten Strafanzeige. Unterdessen bot sich die SPD-regierte Stadt als „Vermittler“ an. Nicht ohne Hintergedanken: Der Kirche hatten die Beamten die Zusage abgetrotzt, das Haus fortan für dringend benötigte Aussiedlerunterkünfte nutzen zu können. Entsprechende kommunale Anträge hatte die Herz-Jesu-Gemeinde früher mehrfach abgelehnt. Der Haken: Die BesetzerInnen würden leer ausgehen.

„Das kommt nicht in Frage, wir gehen ohne konkretes Raumangebot nicht raus, das erwarten wir am Mittwoch von der Stadt“, hieß es gestern in der Essener Straße 31/33. Als Teilerfolg konnten die Jugendlichen nach einem Gespräch mit der Stadt feste Zusagen verbuchen: Abrißgenehmigung und Strafanzeige sollen zurückgenommen, Heizung und Wasserversorgung im Haus instand gesetzt werden.