: War Fritz Sänger ein zweiter Höfer?
Zwei Journalisten geben der SPD einen Preis zurück / Welche Rolle spielte Sänger bei den Nazis? ■ Von Hans-Hermann Kotte
Berlin (taz) - Der Fernsehjournalist Wolfgang Moser, ehemals bei Report Baden-Baden, und der Tübinger Lokaljournalist Hans-Joachim Lang haben den Fritz-Sänger-Preis für mutigen Journalismus der SPD abgelehnt. Moser bezeichnete den Namensgeber des Preises, den langjährigen 'dpa' -Chefredakteur Fritz Sänger, als „engagierten Propagandisten des Naziregimes“.
Lang erklärte dagegen, er stelle die antifaschistische Grundhaltung Fritz Sängers nicht in Frage. Zweifel am „journalistischen Vorbild Sänger“ müßten jedoch möglich sein. Beide hatten den Preis am 1. März, dem Tag der Juryentscheidung, zunächst angenommen. Erst am Mittwoch dieser Woche teilte dann Moser dem Vorsitzenden der Preisjury, dem SPD Bundestagsabgeordneten Freimut Duve, die Ablehnung mit.
Seine Recherchen hätten entgegen der Darstellung in SPD -Materialien ergeben, daß Sängers journalistische Tätigkeit zwischen 1933 und 1945 nicht unterbrochen gewesen sei. Sänger sei vielmehr als Korrespondent der 'Frankfurter Zeitung‘ und des 'Neuen Wiener Tagblatts‘ bei der Reichspressekonferenz akkreditiert gewesen. Dort habe Sänger, so Moser gegenüber der taz, „sich die Goebbelsschen Sprachregelungsverlautbarungen in den Stenogrammblock diktieren lassen“. Moser verglich Sänger mit Werner Höfer und bezeichnete Sängers Berichte und Kommentare als „eher noch mehr pro Nazireich“.
Die SPD reagierte am Donnerstag mit einer Pressekonferenz. Der „Last-minute-Schritt Mosers“ ziele auf einen „größtmöglichen publizistischen Effekt“, erklärte der Juryvorsitzende Freimut Duve. An Sängers Lauterkeit bestehe für die SPD kein Zweifel. Der Sozialdemokrat habe vielmehr während des Naziregimes eine Doppelrolle als Vertrauter des Widerstands und Regimejournalist gespielt. Sänger sei in die Vorbereitungen zum 20.-Juli-Attentat eingeweiht gewesen und habe engen Kontakt zum Widerstand gehabt. Nach dem Krieg habe er als „fast einziger Journalist diese Doppelrolle reflektiert, sie analysiert und beschrieben“. Gleichzeitig bedauerte er, daß in dem Material, das die SPD Moser zugeschickt habe, die entscheidenden zwölf Jahre ausgespart gewesen seien.
Der zweite Preisträger, Hans-Joachim Lang vom 'Schwäbischen Tagblatt‘ in Tübingen, sagte, er wolle durch seine Ablehnung zu einer Auseinandersetzung über die Arbeit von Journalisten während der Nazizeit beitragen. Dafür sei ihm ein Verzicht auf die Auszeichnung „kein zu hoher Preis“. Die SPD will mit der Jury sobald als möglich über die neue Lage beraten.
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