piwik no script img

Grüne im Demo-Dauer-Clinch

■ Grüne Bundestagsfraktion und nordrhein-westfälischer Landesverband kündigen Unterstützung auf / Republikanischer Anwaltsverein und Humanistische Union halten am Demo-Aufruf fest

Bonn/Düsseldorf (taz) - Der Streit um die Teilnahme an der Hungerstreik-Demonstration am kommenden Samstag in Bonn hat sich bei den Grünen weiter verschärft. Der Bundesvorstand der Partei beriet am Montag nachmittag über sechs Stunden teilweise zusammen mit dem Vorstand der Bundestagsfraktion über eine gemeinsame Position. Dabei unterlagen die real -politischen Vertreter mit ihrer Ausstiegsforderung. In einer Stellungnahme übte der Bundesvorstand aber Kritik am Bundeshauptausschuß (BHA) und der Koordinationsgruppe für die Demonstration und bedauerte, daß es nicht gelungen sei, daß „gesamte politische Spektrum zu gewinnen und auf der Kundgebung angemessen zu repräsentieren“. Das „gefährdet die mögliche Breitenwirkung“, hieß es in der Vorstandsstellungnahme, die gegen die grundsätzliche Ablehnung der Fundis Jürgen Reents und Verena Krieger zustandekam. Sie hielten die BHA-Erklärung für ausreichend. Die Grünen könnten ihre „humanitären Forderungen gegen Isolationshaft und für die Zusammenlegung nur politisch wirksam vertreten, weil sie das aus einer kritischen Distanz gegenüber der RAF, aber auch gegenüber den autonomen Gruppen tun“, wird dem Bundeshauptausschuß für seine „volle Unterstützung aller Forderungen der Gefangenen“ im Demo -Aufruf vorgehalten. Eine direkte Verurteilung des BHA -Beschlusses als „politisch falsch“ wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Zu einer gemeinsamen Entschließung mit dem Vorstand der Bundestagsfraktion kam es nicht. Fraktionssprecherin Antje Vollmer forderte die Bundestagsabgeordneten auf, die Unterstützung der Demo aufzukündigen. Die Bundestagsfraktion beschloß am späten Nachmittag ihre Unterstützung für die Demonstration zurückzuziehen.

Auch die nordrhein-westfälischen Grünen haben sich von dem radikal formulierten Aufruf zur Hungerstreik-Demonstration eindeutig distanziert. Die Landesvorstandssprecherin der NRW -Grünen, Beate Scheffler, erklärte gestern in Düsseldorf, der Demonstrationsaufruf des Koordinierungskreises stelle „sich selbst ins gesellschaftliche Abseits“, weil er einzelne Vokabeln der Rote Armee Fraktion (RAF) unkritisch übernehme. Sie erklärte, es gebe derzeit konkrete Überlegungen, die Unterschrift der NRW-Grünen selbst unter dem gemäßigten Demonstrationsaufruf zurückzuziehen, weil die Beteiligung an einer Hungerstreik-Demo unter den jetzigen Vorzeichen generell für falsch gehalten werde. Für das links -liberale Spektrum wird auf der Bonner Hungerstreik -Demonstration jetzt der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Wieland reden, nachdem Wolf-Dieter Narr seine Teilnahme abgesagt hatte. Wieland ist Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, der ursprünglich gemeinsam mit dem Grundrechte-Komitee, der Humanistischen Union, den Jusos und Grünen zur Demo aufgerufen hatte. Wieland sagte gestern, für seine Organisation gebe es „keine Veranlassung“, diese Entscheidung rückgängig zu machen.

Der Anwaltsverein appellierte in einer Erklärung an die SPD -regierten Länder, „ihr Angebot bezogen auf die Größe der Häftlingsgruppen zu erweitern“. Der Hungerstreik - gestern für Rollnick und Heißler der 56. Tag - dränge auf eine Entscheidung. Auch die Humanistische Union hält bisher an ihrem Demo-Aufruf fest; allerdings wird darüber noch beraten.

gn/j.n./cw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen