: Stadtwerke blocken Bremer Energiewende ab
■ Stadtwerke-Vorstand Czichon hält nicht viel von den Vorschlägen des Energiebeirates: „Wir gehen nicht kilometerweit vor der Front“
In den Rathausstuben brütet derzeit eine Arbeitsgruppe über einer Stellungnahme des Senats zu den Vorschlägen des Bremer Energie Beirates (BEB). Und während sich die Politik noch sprachlos gibt, preschte am Freitag das städtische Unternehmen Stadtwerke vor und verriet in einer Pressekonferenz, was es von den Vorschlägen des Wissenschaftlergremiums hält. Einen „großen Respekt vor der Qualität der Arbeit“ hat Vorstand Günter Czichon und sieht „viele Vorschläge, die mit der Geschäftspolitik der Stadtwerke übereinstimmen.“ Doch jenseits der lobenden Allgemein-Plätze findet sich in der vierseitigen Stadtwerke -Stellungnahme eine dezidierte Ablehnung der meisten BEB -Vorschläge.
40 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß, 2.500 neue Dauerarbeitsplätze, sinkende Energiepreise und gleichzeitig steigende Gewinne der Stadtwerke - diese Perspektive hält der BEB bis zum Jahr 2010 für realisierbar, wenn sofort mit den richtigen Schritten begonnen wird.
Zum Beispiel Fernwärme: 400 Megawatt Strom werden im Kraftwerk Hafen produziert. Die anfallende Abwärme wird bislang
in die Luft geblasen oder in die Weser geleitet, eine umweltbelastende Verschwendung. Für die Stadtwerke aber ist „heute nicht der richtige Zeitpunkt für endgültige Investitionsentscheidungen.“ Begründung: Da der Ölpreis, der den Fernwärmepreis bestimmt, zur Zeit niedrig liegt, zweifeln die Stadtwerke an der Rentabilität. Denn eines ist unternehmerisches Credo: Die Konzessionsabgabe an die Stadt (70 Mio im Jahr) darf nicht zurückgehen. „Den Beitrag der Vergangenheit wollen wir auch in Zukunft leisten. Ein Rückgang der Konzessionsabgabe würde eine wirtschaftliche Krise bedeuten.“
Zum Beispiel Tarife: Während der Energiebeirat vorschlägt, die Tarife so zu gestalten, daß die Großverbraucher nicht mehr bevorzugt werden, setzen die Stadtwerke auf Zeit. Wenn auf Bundesebene die Tarifordnung für Strom geändert ist, „werden die Stadtwerke diesen einführen, sofern sich dieses sozialverträglich und ohne Schäden für das Unternehmen durchführen läßt.“ Und im Gasbereich wird „ein wesentlicher Schritt in Richtung der Linearisierung erwogen.“
Zum Beispiel Energieberatung: Hatte der BEB vorgeschla
gen, die Beratung vor Ort künftig zu konzentrieren, sind die Stadtwerke mit dem bisher Geleisteten zufrieden. „Von Haus zu Haus zu gehen, würde unsere Möglichkeiten überfordern.“ Und zum Thema Einspardirektor für die Stadtwerke möchte Czichon in
diesem Falle dem Aufsichtsrat „keine öffentlichen Ratschläge geben.“
Im bundesweiten Konzert der Stadtwerke fühlen sich die Bremer sowieso schon so Spitze, daß ihnen an weiterem Vorsprung nicht gelegen ist: „Wir können
nicht kilometerweit vor der Front herlaufen“, so der Stadtwerke-Vorstand, der kurz zuvor zugeben mußte, daß Bremen von allen Großstädten den niedrigsten Anteil an Fernwärmeversorgung hat. „Wenn wir vor 20 Jahren mutiger gewesen wären“, so Czi
chon, „könnten wir mehr Fernwärme haben.“ Die anderen Städte allerdings, weiß Czichon zu berichten, hätten sich die bessere Fernwärmeversorgung mit einem Verzicht auf einen Teil der Konzessionsabgabe erkauft. Und würde er begrüßen, wenn Bremen diesen Weg auch gehen würde? „Nein.“
Bis zum Jahre 2010 soll weltweit der CO2-Ausstoß um 40 Prozent abgebaut werden. Der BEB glaubt, daß das erreicht werden kann. Czichon dagegen hat grundsätzlichere Zweifel: „Wenn die politische Unvernunft anhält, werden wir 40 Prozent nicht erreichen können.“ Unvernunft, die Czichon allerdings überall in der Bundespolitik ausmacht.
Die Journalisten löcherten den Stadtwerke-Chef: Gibt es denn irgendeinen konkreten Vorschlag des BEB, den Czichon so richtig gut findet? Da muß er lange überlegen und sagt dann: „Fernwärme.“ Einen Vorschlag, den er zuvor kräftig relativiert hatte.
Fehlen Czichon die handlungsorientierten Strategien des BEB, dann fehlt auch in der Stadtwerke-Stellungnahme zumindet eines: Das Wort „Ökologie“ kommt nicht vor.
Holger Bruns-Kösters
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen