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„Franken voran“ für die „Republikaner“

In Mittelfranken erzielten die REPs bei der Europawahl 16,1 % / Frühere NSDAP- und NPD-Hochburgen - Schwarzbraune Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene nicht ausgeschlossen / Spranger soll rechten Rand der CSU halten  ■  Von Bernd Siegler

Inmitten der reizvollen Landschaft am Oberlauf der Altmühl liegt das malerische Städtchen Leutershausen“, so steht es der Fremdenverkehrsprospekt. „Typisch fränkisch halt - und damit gemütlich und erholsam“, soll es demnach in der 5.000 -Einwohnerstadt zugehen. Typisch fränkisch ging es auch bei den Europawahlen zu. In dem „malerischen“ Städtchen holten die „Republikaner“ satte 21,5 %, überflügelten damit die Sozialdemokraten (19,7) und drückten die Christsozialen auf 43,7 %. Damit lagen die Leutershausener gut im Trend. Mittelfranken erwies sich als absolute REP-Hochburg im Freistaat. Die REPs zwangen die CSU im gesamten Bezirk unter vierzig Prozent und sorgten dafür, daß die CSU bayernweit zum ersten Mal wieder seit 1966 die absolute Mehrheit verloren hat.

Vor 23 Jahren hatte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands die bayerischen Landtagswahlen mit 7,4 % als Triumphator beendet. Das für den Einzug ins Maximilianeum damals noch notwendige Überspringen der 10-%-Hürde in einem Regierungsbezirk schaffte die NPD spielend in Mittelfranken (12,2%). Im Landkreis Neustadt-Bad Windsheim kamen sie sogar auf 16,7% in drei Stimmbezirken gab es eine absolute NPD -Mehrheit. „Typisch fränkisch“ auch wieder in Leutershausen. Die NPD holte 19,3 %, die SPD mußte sich bei 18,4 % mit dem dritten Rang begnügen. Das Wahlergebnis ließ damals die Leitartikler die Feder ergreifen und Parallelen zur Vergangenheit ziehen. Als Hitler noch um die Macht kämpfte, fand er bereits in Mittelfranken seine treuesten Anhänger. Bei allen Wahlen lagen die NSDAP-Hochburgen in Mittelfranken. Nicht umsonst lautete der Wahlspruch des „Stürmer„-Eigentümers und - Herausgebers, des fränkischen Gauleiter Julius Streicher, „Franken voran“.

Auch heute marschiert Franken wieder voran. Für den ehemaligen Heimatpfleger von Leutershausen Hans Engelhardt (66) drängt sich dieser Vergleich auf. Er macht das „Gebetbuch“ verantwortlich, für das damals wie heute vom bayerischen Durchschnitt abweichende Wählerverhalten. „Die Katholiken hören noch mehr auf ihre Pfarrer und wählen christlich, die Protestanten sind für solche Parteien einfach empfänglicher“, lautet seine Wahlanalyse für das überwiegnd protestantische Mittelfranken. Die bodenständigen Bauern würden nie links wählen und jetzt, wie auch 1966, hätten sie die Möglichkeit gehabt, „nach rechts auszuweichen“. Als Freizeitjäger kommt Engelhardt viel im Landkreis herum, in dem einzelne Stimmbezirke sogar absolute Mehrheiten für die REPs verzeichnen konnten. „Die Bauern bekommen für die Ernte nichts mehr, der Wald ist nichts mehr wert, die Leute sind unzufrieden“, bekommt Engelhardt zu hören. Er spricht von einer „reinen Protestwahl“.

Der Leutershausener CSU-Chef Hans Rummel (38), selbst Landwirt und seit 1984 stellvertretender Bürgermeister, sieht das ähnlich. „Das war kein Rechtsruck, sondern ein Denkzettel der unzufriedenen Bauern“. Rummel kennt am Ort keine REPs persönlich, einen Ortsverband gibt es auch nicht. Kurz vor den Europawahlen hat der Stadtrat noch einstimmig beschlossen, eine Veranstaltung der REPs im Festzelt anläßlich der Kirchweih nicht zuzulassen. „Das war wohl ein Fehler“, resümiert Rummel.

Einen Zusammenhang zwischen dem NPD-Wahlerfolg und den REPs sieht der CSU-Chef nicht. Weiter zurück in die Geschichte will er gar nicht gehen, obwohl Leutershausen die dritte deutsche Stadt war, die Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde verliehen hatte - und das schon 1932 einstimmig. Sorgen über die zukünftige Arbeit im Leutershausener Rathaus macht sich Rummel nicht. Bei den Europawahlen sind die Stimmen der CSU von 73,3 % (1979) über 62,7% (1984) auf 43,7 % (1989) in den Keller gerutscht und im März 1990 stehen in Bayern Kommunalwahlen an. „Wenn die REPs sachlich zum Wohle der Gemeinde mitarbeiten, sind sie ebenso willkommen wie die SPD“, meint Rummel. In Leutershausen gebe es sowieso „keine Parteipolitik im Rathaus und keinen Fraktionszwang“. Eine direkte Zusammenarbeit von CSU und REPs auf Landes- oder Bundesebene hält der Bürgermeister jedoch aufgrund der Parolen der REPs für falsch.

Ganz anders dagegen der CSU-Fraktionschef von Ansbach Otto Schaudig. Für den Verwaltungsrichter Schaudig vertreten die REPs Positionen, „wie sie in der CSU auch vertreten werden“. Er hält nichts von einer „widerwärtigen Hetze“ gegen die REPs, immerhin würden die Bürger den REPs „die meiste Kompetenz im Bereich Ausländer und Asyl“ zuschreiben. Die Partei artikuliere zudem das „Bewußtsein des deutschen Volkes, das nicht immer als Volk der Schuldigen dastehen will“, argumentiert der Verwaltungsrichter. Schaudig hat von den REPs noch keine Position gehört, die nicht irgendwie mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen wäre - „ganz im Gegensatz zu den Grünen“, beeilt er sich hinzuzufügen. Damit ist er sich einig mit dem kurz vor den Europawahlen als Chef der mittelfränkischen CSU inthronisierten Carl-Dieter Spranger. Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, als Stahlhelmer in der Union bekannt, hatte gleich nach dem Wahlerfolg der REPs die Überprüfung der Grünen durch den Verfassungsschutz gefordert. CSU-Insider werten die Wahl des Hardliners Spranger als einen Versuch der CSU, gerade in Mittelfranken das Abbröckeln des rechten Randes in Grenzen zu halten.

Edgar Kühlwein, mittelfränkischer Bezirksvorsitzender der REPs, glaubt nicht, daß dies gelingen wird. Er will sich gar als Landratskandidat gegen den mit 63,62 % souverän wiedergewählten Landrat Robert Pfeifer aufstellen. Pfeifer war im April bei der CSU ins Gerede gekommen, weil er sich geweigerte hatte, die Schirmherschaft über das 100 jährige Gründungsjubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Gollachostheim niederzulegen. Die Feuerwehrmänner hatten das Angebot des bayerischen Landwirtschaftsministers Simon Nüssel für die Eröffnungsrede ausgeschlagen und stattdessen REP-Chef Franz Schönhuber eingeladen. Angesichts der „permanenten Schmutzkampagne“ gegen die REPs mißt Kühlwein dem Erfolg eine große Bedeutung zu. „Die ganze Medienkampagne gegen Faschismus und Rechtsradikalismus ist zusammengebrochen“, triumphiert er und kündigt an, daß die Partei verstärkt Ortsvereine gründen will.

Auch im Städtchen Ipsheim im Landkreis Neustadt - Bad Windsheim gibt es noch keinen Ortsverein der REPs. Trotzdem kamen die Rechtsradikalen in der knapp 1.800 Einwohner zählenden Bauerngemeinde auf 27 %. Das Vereinsleben, z. B. der Krieger- und Militärverein spielen im Ort eine große Rolle. „Wenn die eine Uniform sehen und eine Trompete hören, marschen alle hinterher“, beschreibt der Besitzer des kleinen Lebensmittelladens die Situation vor Ort. „Deutsche wählt deutsch“ genüge anscheinend schon wieder, erzählt er. Dabei verweist er auf längst vergangene Zeiten, die immer noch aktuell seien. Hinter vorgehaltener Hand schildert er, wie einst „Frankenführer“ Streicher und Hitler im örtlichen Gasthof abgestiegen sind. Im nahegelegenen Holzhausen könnte man beim Frühschoppen enstprechende Töne hören. Dort aber weiß niemand etwas von dem Frühschoppen. Angesprochen auf die hohen REP-Ergebnisse reagieren die meisten mit Schweigen oder Achselzucken.

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