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Klaus Kennedy-Wedemeier in Osterholz-Tenever

■ Bürgermeister auf Stadtteilbesuch: über freilaufende Hühner und die begrenzeten Möglichkeiten Bremer Politik

Die weißhaarige Dame hat ein ganz besonderes Problem: Neun ihrer Hühner hat sie im letzten Jahr „verloren“. Überfahren von Autos oder Motorrädern, sagt sie und: „Muß das sein?“. Ganz entschieden „Nein“, meint da unser Bürgermeister, denn: „Auch Hühner haben ein Recht auf Leben.“

Einwohnerversammlung in Bremen-Osterholz und zu Gast Klaus Wedemeier. Das tut schon mal Not: Raus aus dem Rathaus, ran ans Volk, doch das drängte sich nicht gerade in der Halle der Schule Walliser Straße. 80 mögen es gewesen sein, die da am Dienstagabend kamen. Grund für einen Sportfunktionär, sich devot zu entschuldigen. „Gerade aus den Problemgebieten sind die wenigsten da.“

Wohl wahr. Es scheinen eher SPD-Funktionäre, Beiratsmitglieder, einige Stadtteilaktivisten zu sein, denen der Bürgermeister in 20minütiger Rede gleich den Zahn zieht, daß von ihm an diesem Abend irgendwelche neuen Versprechen zu hören sein würden. Da geht es erstmal 15 Minuten um Bonn und das Geld, um Länderfinanzausgleich und Steuerreform, fehlende ABM-Millionen und Strukturfonds. Und um erste wirtschaftspolitische Erfolge des Bremer Senats in und trotz schwieriger Lage. Da braucht der Bürgermeister hinter dem Rednerpult kaum einmal auf den vorbereiteten Stichwortzettel zu gucken, das kann er aus dem ff. Und nach einem solch weiten Ausflug in die Welt der großen Finanzen, braucht er da überhaupt noch zu betonen, wie eng die Gestaltungsspielräume für Kommunalpolitik sind?

Braucht er nicht, macht er aber trotzdem. Nicht ohne den Hinweis vorwegzustellen, daß Osterholz neben drei anderen „sozial belasteten Stadtteilen“ mit besonderer städtischer Anteilnahme rechnen kann. Eine Arbeitsgruppe des Senats hat 72 Maßnahmen aufgelistet, das sogenannte Sonderprogramm Osterholz, und das soll jetzt verwirklicht werden. Wohnungen sollen gebaut, ein Horthaus neu eingerichtet und mehr Lehrer zugewiesen werden. Das steht fest. Und die Bezirkssportanlage, dafür hat die Sportlobby offensichtlich gesorgt, wird erweitert. Dafür muß dann „alles andere zurückstehen“, zum Beispiel das auch von Wedemeier gewünschte Bürgerhaus.

Und was tun gegen die Aussiedler- und Ausländerfeindlichkeit, die gerade in Tenever per Wahlzettel belegt worden ist? Da ist Wedemeier schon wieder beim lieben Geld und der bösen Bundesregierung. Die hat schließlich die Polen- und Russendeutschen ins Land geholt und läßt nun die Kommunen mit den „Kriegsfolgelasten“ alleine. „Der eine holt sie heim, der andere hat die Probleme.“ Und vor diesen Problemen flüchtet der Bürgremeister ins Allgemeine, Nichtssagende: „Die Wählerinnen und Wähler der Republikaner sind bereit zu den vier großen demokratischen Parteien zurückzukommen, wenn wir Lösungen anbieten.“

Das Publikum scheint's zufrieden. Wann endlich fährt die Buslinie 25 bis nach Tenever, wird gefragt (Wedemeier: „Das ist sofort möglich.“); wie ist das mit einer festen Stelle für die Jugendbibliothek („Das haben wir heute morgen entschieden. Ich komme ja nicht unvorbereitet hierher.“); und was tun, wenn der Bürokratismus der Bauverwaltung Wohnungsneubau behindert („Solche Probleme bitte direkt an mich weitergeben.“) - dieser Bürgermeister weiß seinen Bürgern auf kleinere Sorgen direkte Antworten zu geben, im Rahmen der hansestaatlichen Finanznot, versteht sich.

Nach eindreiviertel Stunden ohne größere Emotionen ist der Diskussionsbedarf hörbar erschöpft. Und um den Abend richtig rund zu machen, kommt der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins brav auf eine Eingangsbemerkung des Bürgermeisters zurück. Da hatte der doch, in Abwandlung eines Kennedy-Zitates, gesagt: „Frag nicht jeden Tag, was die Stadt für Dich tun kann. Frag Dich, was Du für die Stadt tun kannst“, und vorgeschlagen, zwecks Herstellung eines Gemeinschaftsgefühls den Müll von den Straßen zu entfernen. Versprach der Ortsvereinsvorsitzende: „Wir werden demnächst wieder eine Müllsammelaktion machen und Zigarettenschachteln und Dosen einsammeln. Da ist jeder eingeladen, mitzumachen.“

Hoger Bruns-Kösters

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