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„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 7.Teil

■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / Aus einem Roman von Jürgen Alberts

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Matthias wies die letzten Besucher ab: „Wir sind ausgebucht, heute abend.“ Mit schnellem Schwung zog er die Tür des Mic Mac zu.

Kurz vor Mitternacht, und die Show von Madame Lothar konnte beginnen.

Die voluminöse Eingangsmusik, mit Bläsern und Trommeln, dann seine Stimme: „Willkommen im Wunderland der Madame Lothar“, und dann er selbst.

Ein kräftiger Mann im rosa Fummel, mit großer Boa und noch größerem Hut, ein strahlendes

Lächeln und ein warmes Gesicht, ein Hüftschwung auf die Mini -Bühne, den Beifall abwartend, bis er mit dem ersten Lied einsetzte: „Oh baby let me hold you, oh baby let me hold you.“

Joe Davids stand neben Xiao Chen und hielt seine Hand. Sie mochten beide diesen älteren Herrn, der sich in Frauenkleidern auf die Bühne wagte, der parodierte, Travestie in großer Form, der lachte und anzügliche Witze über sich und seine schwulen Freunde machte.

„Hast Du Gerhard kennengelernt? “ - „Na ja, Gerhard, den kennst Du doch, dem sein Samen schmeckt doch so bitter!“

Gejohle im Mic Mac.

Und dann: „Aber der Novak läßt mich nicht verkommen.“ Madame Lothar diesmal im grau-braunen Damenmantel der 50er Jahre, mit Kapotthütchen und Handtäschchen, das ganze für acht Mark beim Trödler erstanden: „Ich hab ihm dann die Gurgel durchgebissen, aber der Novak muß mich erst vermissen.“

Als sie sich kurz nach elf trafen,

wollte Davids erst nicht mehr auf das abgebrannte China Restaurant zu sprechen kommen.

Xiao Chen war außer sich vor Angst.

Den ganzen Tag habe er nichts anderes gemacht, als vorsichtig bei den anderen Besitzern nachgefragt, ja, auch sie zahlen an die Triade, aber Nanking habe sich geweigert.

Der Warnschuß.

Sichtbar für jeden.

Fünfzig Restaurants mit chinesischer Küche gab es in der Hansestadt, wenn die alle monatlich einige Tausend lockermachen müßten, das sei ein sauberes Geschäft.

„Aber wir müssen etwas tun, verdammt, Xiao Chen, willst du denn ewig blechen?“

„Um dann so zu enden wie der Kong Lee, ne. Iche nicht“, hatte der bleiche Besitzer geantwortet.

Er hatte keine Waren eingekauft, nichts vorbereitet, und am Abend den Laden einfach geschlossen: Trauerfall stand an der Tür.

„Aber was wollt ihr machen, jetzt gibt's einen Toten. Wollt ihr denn mehr davon?“ Xiao Chen zitterte.

Joe Davids wollte ihn nicht quälen, aber er konnte nur mit Hilfe seines chinesischen Freundes weiterkommen. Und der mauerte.

„Und jetzt, meine Damen und Herren, im Wunderland der Madame Lothar, die singende Schwester, Soeur Sourire, mit ihrem einmaligen Welterfolg: Dominique.“

Madame Lothar in der Nonnenkutte, nur das knubbelnasige Gesicht zu erkennen, er parodierte mit einer solchen Überzeugung, daß die Anwesenden beim Refrain klatschten.

Joe Davids versuchte, sich auf die Show zu konzentrieren, aber immer wieder fiel ihm das ängstliche Gesicht Xiao Chens ein.

Es schmerzte ihn.

Er hatte ihm davon erzählt, daß er nicht mit der Aufklärung des Mordes an Kong Lee beauftragt worden sei, aber er werde sich natürlich informieren, vielleicht könne er ein paar Hinweise geben, in welcher Richtung zu suchen sei.

„Biste verrückte, dann machen die uns alle, Joe“, jeder Versuch,

den Davids unternahm, wurde abgeblockt.

Joe Davids wußte, woher diese Angst kam. Deswegen stellte er seine Fragen ein.

Im Kopf spielte er alle Möglichkeiten durch, wie er seinem Freund helfen konnte. Aber ihm fiel keine Lösung ein. Nicht ohne seine Hilfe und schon garnicht gegen ihn. Aber er wollte sich morgen bei Schmückel erkundigen, das stand für ihn fest.

„Kommst du nachher zu mir?“ fragte Chen leise.

Davids nickte.

Sie umarmten sich.

„Es ist so wunderbar, das bißchen Leben“, sang Madame Lothar, seine Stimme rostig am Mikrophon, verraucht wie eine Barsängerin, raunzend wie ein junger Hund, offen und sentimental.

Dann riß er sich die Perücke ab und warf sie Matthias zu.

Er stand im grünen Taft-und Tüll-Kleid, die Haare millimeterkurz, die geschminkten Augenbrauen fielen nicht mehr ins Gewicht. Er war er selbst. Mitten im Beifall, der sich mit lautstarken Bravo-Rufen mischte.

Drei Uhr in der Früh.

Das Programm war zuende.

All die Jahre hatte Davids sich versteckt, hatte Geschichten erfunden, um sich zu tarnen. Hatte Prügel eingesteckt um sein sexuelles Inkognito zu wahren.

Fritz Pinneberger wußte Bescheid. Und deswegen arbeitete er auch so gerne mit ihm. Der ließ ihn gewähren. Er war selbst drauf gekommen und hatte zu Joe Davids gesagt: „Wenn du mal deswegen in Schwierigkeiten kommst, dann meld‘ dich bei mir. Tag und Nacht, ganz gleich, wann du anrufst.“

Nach und nach hatte Davids ihm seine Versteckspiele erzählt, hatte ihn eingeweiht in sein doppeltes Leben und seine ständigen Vorsichten. Aber Pinneberger konnte sich so ein Verhalten dann doch nicht vorstellen.

„Du kannst nicht auf der einen Seite geradestehen wollen und dich auf der anderen bücken. Geht nicht. Ich könnte das nicht, Joe.“ Fortsetzung folgt morgen

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