: ENGEL UND SARG-NAGEL
■ Ausstellung der Entwürfe für den Neubau der AGB
Denkmalschützer Engel und Bausenator Nagel entwickeln sich bei Architekturwettbewerben zu einem Sicherheitsrisiko. Wiegt jener noch bedächtig sein Haupt, wenn rasante Entwürfe altehrwürdige Monumentalschuppen drohen vergessen zu machen, wie bei Daniel Libeskinds Planung für den Erweiterungsbau zum Berlin-Museum, so skalpiert dieser ganz einfach Entscheidungen, wie ihm der politische Instinkt recht zu geben scheint, wie die unendliche Geschichte beim Deutschen Historischen Museum beweist.
Wenn Nagel und Engel gemeinsam aufkreuzen, wissen Architekten und Juroren nicht mehr, wozu sie überhaupt gerufen wurden. Denn mit herrischer Geste wies der Bausenator am vergangenen Dienstag den einstimmig von der Jury empfohlenen Entwurf für den Neubau der Amerika Gedenkbibliothek (AGB) von Steven Holl zurück, weil er ihm nicht paßt. Besserwisserisch düpierte er die Entscheidung der Fachrichter unter dem Vorsitz Hardt Walher Hämers - dem der Landeskonservator als Sachverständiger zur Seite saß mit dem Hinweis, just in den USA ähnliche bauliche Unverhältnismäßigkeiten gesehen zu haben, vor denen Berlin zu bewahren sei und konterte mit von Engel geliehenen Vorbehalten, Holls Anbau berücksichtige nicht ausreichend den bestehenden Baukörper der AGB, greife sogar in das Denkmal ein und zerstöre die Struktur des Blücherplatzes. Eins drauf setzte Nagel, indem er seine Inkompetenz mit der Feststellung kaschierte, der Neubau werde mit rund 72 Millionen Mark den veranschlagten Kostenrahmen um ein gutes Drittel sprengen.
Holl und die zweite Preisträgerin, Karen van Lengen, sollen, geht es nach dem Willen der „Gruppe Engel/Nagel“, mit ihren Plänen in Klausur, um Altbau und Stadtbild vor Beschädigung zu bewahren, und müssen im Herbst erneut vor der Jury auflaufen. Der Dritte im Bunde, Lars Lerup, dessen Entwurf die AGB in einen bunkerähnlichen Wehrbau verwandelt, braucht nicht neu zu zeichnen. Überhaupt, so Nagel, habe die Praxis des offenen Wettbewerbs wieder die Schwierigkeiten offenbart, mit denen zu rechnen ist, werden internationale Stararchitekten für berlinspezifische Projekte eingeladen und wird die Auslobung nicht durch strenge Vorgaben reglementiert. Daß Nagel damit den heimischen Platzhirschen das Wort redet, von denen er glaubt, nicht aufs politische Glatteis geführt zu werden, und diese Engels konservatorischem Zugriff ausgesetzt bleiben, steckt hinter den ästhetischen Vorbehalten, deren Gehalt um so politischer wird, je zorniger er sich gibt.
Schaut man sich Holls Entwurf dagegen an, werden die historischen Gefühlswandlungen des Landeskonservators wie des Bausenators immer unverständlicher. Die auf den ersten Blick klobig anmutenden Baukörper, ein mächtiger Kubus östlich des alten Bibliotheksflügels, über dem ein zeppelinförmiger Glaskörper schwebt, an den sich ein Turm anschließt, umkreisen den Altbau eher, als daß sie ihn erdrücken. Die Eigenständigkeit des jetzigen Gebäudes wird dadurch hervorgehoben, daß die geplanten Teile eine räumliche Distanz bewahren, die zudem im Material sichtbar werden soll, denn im Unterschied zum grauen Betonraster der AGB wird den Neubau ein Stahlskelett stützen, dem eine Fassade aus Glas und Metall vorgehängt ist. Turm und Zeppelin spielen ebenfalls mit der durchsichtigen Substanz. An den Angestellten und Benutzern der AGB scheint Nagel auch nicht übermäßig interessiert, übersieht er doch, daß Holls Entwurf eine Verdoppelung der Bibliotheksfläche vorsieht, in der ein Arbeiten und Lesen wieder Spaß machen kann. Die Buch - und Zeitschriftenkapazitäten könnten erweitert und die Bibliothek zum Ort öffentlicher Kommunikation und des stillen Schmökerns werden. Denn Holls Konzept für ein Raumkontinuum sieht einen luftigen Lichthof im Zentrum des Neubaus vor, um den sich auf sechs lichten Geschossen Fachabteilungen gliedern, über Wandelgänge und Glasröhren werden die angrenzenden Gebäudeteile erreichbar, so der Turm mit einem Ausguck und der Zeppelin, der die Kinderbibliothek beherbergen soll. Im Erdgeschoß sind zusätzlich ein Cafe und Vortragsräume geplant. Holl macht die Bibliothek damit selbst zum Ort eines poetischen Erlebnisses, in dem Zeit aufgehoben scheint, aber nicht stillsteht und die architektonische Gegenwart über eine bauliche Vergangenheit siegt, sie aber nicht zerstört.
Zugleich zieht die städtebauliche Kritik der „Gruppe Engel/Nagel“ auch darum nicht, weil der Ausbau der AGB den Blücherplatz in einen zentralen Anziehungspunkt verwandeln könnte, in dem Architektur nicht so seelenlos herumsteht wie am Kulturforum oder nur ideologischer Repräsentanz dient wie am Spreebogen. Denn Karen van Lenges Entwurf, den die beiden Bauzensoren vielleicht insgeheim favorisieren, da sich der schwebende Trapezkörper eher der geschwungenen Form des AGB -Riegels anpaßt und die kleineren Türmchen und Pavillons nicht so mächtig erscheinen, unterstützt wie Holl den baulichen Dynamismus der fünfziger Jahre auf moderne Weise, ohne das Bild dogmatischer Fortschrittsgläubigkeit zu zitieren, drängen doch beide Planungen gerade auf die Anbindung des Neubaus an den Mehringplatz und seine Einbeziehung in den Stadtpark.
Woran sich Nagel und Engel klammern, ob an den eigenen faden Geschmack, an geschichtsträchtige Kompensationsversuche und Verlustgefühle traditioneller Werte, an den Zwiespalt baupolitischer Unsicherheit oder gar an pure Machtlüsternheit, das Paradoxon, Instabilitäten durch historisierende Architektur oder rudimentäre Formen ehemaliger Planung auszugleichen, die passen, zieht verbaute Zukunft nach sich. Die AGB muß nicht vor Holl oder van Lengen, sondern vor Nagels Geplapper und Engels Ängsten geschützt werden. Die Jury sollte auf ihrer Entscheidung bestehen.
rola
Die Entwürfe sind noch bis zum 17. August in der Galerie Aedes, S-Bahn-Bogen 600, zu sehen, täglich von 10-18 Uhr.
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