piwik no script img

Schuhe und Schlitten zwischen Kartoffelschalen

■ Getrennte Müllsammlung mit Anlaufschwierigkeiten / Verunreinigungen im organischen Abfall machen „schwer zu schaffen“

BremerInnen, die in Blockdieck leben, sind seit April priviligiert, umweltpolitisch gesehen jedenfalls. In den Großwohnanlagen des Stadtteils kommen seitdem verschiedene Müllwagen, der bekannte hellrote, um den Restmüll abzuholen, der neue weiße

„Wertsorter“, der die getrennt gesammelten Wertstoffe abholt. DDCS für „Dezentrales Depot Container System“ heißt im Behördendeutsch der erste kleine Ansatz, Bremer Müllverwertung auf Abfallwirtschaft umzustellen.

Doch DDCS hat auch einen Nachteil. „Die Verunreinigungen im organischen Abfall machen uns schwer zu schaffen“, sagt Rolf Meyer, bei der Blocklanddeponie für Kompostierung zuständig. Denn in dem organischen Abfall, zwischen Eier-und

Kartoffelnschalen findet sich viel Plastik, Dosen, Schuhe, ein repräsentativer Querschnitt durch den Hausmüll.

In etwa 60 Prozent der Blockdiecker Haushalte steht inzwischen ein grüner Mülleimer, in den all das geworfen werden soll, was kompostierfähig ist. Die Hausmülleimer werden dann in große Müllcontainer entleert, die wiederum eimal pro Woche abgefahren werden. Diese Müllcontainer sind frei zugänglich und so kommen schon einmal des Abends Autos von außerhalb angefahren, aus denen ganze Kofferraumladungen Müll in den Kompostbehälter gekippt werden. Wenn verunreinigter organischer Abfall mit rein Gesammeltem zusammengeworfen wird, dann kann es vorkommen, das eine ganze Wagenladung statt auf dem Komposthaufen auf der Mülldepoie landet. Meyer: „Zwei bis drei Fehlwürfe können all das von anderen mit Akribie gesammelte kaputtmachen. Und die das richtig machen, gucken sich das zweimal an, dann ist das Thema Getrenntsammeln für die durch.“ Inzwischen hat das Amt für Stadtentwässerung und Stadtreinigung bereits drei Container, in den erfahrungsgemäß besonders viel Plastik und Ähnliches zwischen den organischen Abfällen lag, wieder abgezogen. Weitere drei bis vier Container sollen noch abgezogen werden.

„In den Großwohnanlagen funktioniert die soziale Kontrolle nicht so gut“, beschreibt Abfallberater Reinhard Holtien das Problem. Die Abfallberater, die organisatorisch den Jugendwerkstätten e.V. zugeordnet sind, haben in den vergangenen Monaten mit Flugblätter und auch Hausbesuchen versucht den Blockdieckern ökologisches Müllbewußtsein beizubringen, angesichts der sozialen Struktur des Stadtteils ein schwieriges Unterfangen. „Viele der dort lebenden Auslän

der kommen aus Gegenden wo viel Müll viel Wohlstand bedeutet“, so Holtin. „Wer nicht willens ist, den kann man nicht erreichen.“

In Blumenthal läuft die Getrenntsammlung seit Juni, und dort sind die Erfahrungen wesentlich besser als in Blockdieck. Hier steht in neun von zehn Haushalten ein Ökoeimer und der organische Abfall aus dem Bremer Norden kommt fast rein bei der Kompostieranlage im Blockland an.

Recycling kostet Geld

Problemlos läuft dagegen auch in Blockdieck das Sammeln von Glas und Papier. Doch die Mengen die bislang zusammengekommen sind, erreichen längst nicht die offiziellen Zielzahlen. Hoffte die Behörde bislang auf eine 40-50-prozentige Verringerung des gesamten Hausmülls, um dann irgendwann einmal die Bremer Müllverbrennungsanlage schließen zu könen, so liegen die ersten Schätzungen lediglich bei 20 Prozent.

Eine goldene Nase kann sich die Umweltsenatorin mit dem Re

cycling auf keinen Fall verdienen, ganz im Gegenteil. Für eine Tonne Weißglas gibt es rund 80 Mark, Buntglas bringt 50, Papier lediglich 20 Mark die Tonne. Sechs Tonnen Glas kann das Umweltmüllauto am Tag abfahren, die Betriebskosten liegen alleine bei 140 Mark in der Stunde. „Das ist ein Beispiel, daß Umweltschutz Geld kostet “, weiß man in der Behörde.

Und die Sache wird bis alle 250.000 Bremer Haushalte ökologisch abfallwirtschaften können, noch wesentlich teurer werden. Noch in diesem Jahr soll begonnen werden, die 10.000 Haushalte in der Vahr umweltpolitisch zu erschließen, weitere Großwohnanlagen sollen folgen. Dann müssen weitere Umweltmüllautos angeschafft werden, die Blocklanddepoie braucht dringend eine Sortieranlage, um die Verunreinigungen besser aus den organischen Abfällen entfernen zu können. Und die 12 Abfallberater der Jugendwerkstätten arbeiten mit ABM -Verträgen, die im Sommer des nächsten Jahres endgültig auslaufen.

hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen