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ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Things used to be so simple

Hüsker Dü hatten in zehn Jahren und auf acht Platten nahezu alle Entwicklungen der Rockmusik seit der Punkexplosion mitgestaltet und mitgelitten. Sie hatten wie so viele mit fast völlig unstrukturiertem Krach begonnen, sich aber danach weiterentwickelt, Punk-Ohrwürmer genauso wie puderzuckrige Balladen aufgenommen. Sie konnten satte Heavy -Gitarren mit schwebender Leichtigkeit verbinden. Sie loteten die Entwicklung, die Punk Anfang der 80er genommen hatte, in beide Richtungen aus - Lieder zum Mitsummen und brachiale Gewalt. Als sie sich 1987 auflösten, waren sie eine Institution und vielleicht die wichtigste, über die Jahre betrachtet ganz sicher die beste Postpunkband der 80er Jahre. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können.

Kurz nach der Auflösung soll Bob Mould, Gitarrist und einer der beiden Songschreiber und Sänger, gesagt haben, daß seine erste Band auch seine letzte gewesen sei, und von da an verschwand sein Name in der Versenkung und tauchte nur hier und dort als Productioncredit wieder auf. Er hat sich zwar nicht an seine Ankündigung gehalten und eine Soloplatte veröffentlicht, aber wer einen Hüsker-Dü-Aufguß erwartet, wird enttäuscht sein.

Workbook durchläuft die Entwicklung Hüsker Düs rückwärts, beginnt mit einem weichen, akustischen Instrumental, danach werden die Songs langsam härter und schneller, aber trotzdem schleicht sich noch öfter ein verträumtes Cello ein. Bei Hüsker Dü war die Grundstimmung der Songs von Mould der gerechte Zorn des moralisierenden, aber nie moralinsauren Weltverbesserers.

Im Gegensatz dazu sind die Songs auf Workbook geprägt von Melancholie: „Things used to be so simple long time ago / Now everything is expensive and complicated“ (Compositions for the young and old). Ein gebrochener, alter Mann, so scheint es manchmal, der seine erste große Krise, den Hüsker-Dü-Split, zu bewältigen versucht. Resignation ist an die Stelle der jugendlich kämpferischen Attitüde getreten. Nicht mehr „Up allnight / You twist in your sleep / Grabbing the sheets / Sweating to death“ (Indecision Time von Zen Arcade) sondern „In an act like Jesus Christ / Stare into the sun / You don't see eye to eye with anyone / Throw it all away / Don't talk to me no more“ (Poison Years von Workbook).

Und so ist auch die Musik weit entfernt von seligen Hüsker -Dü-Zeiten. Einzig Moulds unverwechselbare Knödelstimme erinnert noch daran. Die elektrischen Gitarren sind eingetauscht gegen akustische, nur selten tauchen noch Anklänge an die sphärischen Lärmgewitter von Hüsker Dü auf. Der treibende Beat ist einem meditativen Kreiseln um luftige, fast folkige Gitarrenriffs gewichen. Bob Mould ist älter geworden, alles andere wäre eine Lüge. Aber es ist gut, daß er zurück ist und nicht versucht, den 21jährigen zu spielen.

Am Schluß der zweiten Seite steht dann doch noch ein Song, der auch auf einer Hüsker-Dü-Platte hätte erscheinen können. Lärmig und laut, Gewalt, die doch immer ruhig dahinfließt. „And everybody goes whichever way the wind blows.“ Nur Bob Mould geht seinen eigenen Weg.

Thomas Winkler

Bob Mould, „Workbook“, Virgin 209938

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