: Schmales Europaprogramm für Cristiani
El Salvadors rechtsextremer Präsident wird nur von Thatcher und Wojtyla empfangen / Termin in Brüssel geplatzt: Kein Kredit von der EG / Auch Bonn, Paris und Rom zurückhaltend ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard
Alfredo Cristiani ist am Wochenende zu seiner ersten Europareise als Staatspräsident aufgebrochen. Der siegreiche Kandidat der ultrarechten Arena, der am 1. Juni das höchste Amt El Salvadors übernommen hat, wird in London von Margaret Thatcher und im Vatikan von Seiner Heiligkeit Johannes Paul II empfangen. Eine Station in Brüssel, wo er ein Kreditabkommen mit der EG unterzeichnen wollte, mußte gestrichen werden: Der Kredit liegt vorerst auf Eis.
Hatten die Europäer den Christdemokraten Duarte, dessen Ableben hier stündlich erwartet wird, mit Lobeshymnen und finanziellen Zuwendungen überschüttet, so zeigen sie Cristiani vorerst die kalte Schulter. Berichte über Massenverhaftungen, Morde und systematische Folter dringen wieder verstärkt an die ausländische Öffentlichkeit, seit die Christdemokraten in der Opposition sind.
Kein lateinamerikanischer Politiker von Gewicht fährt nach Europa, ohne in Bonn, Paris und Madrid guten Tag zu sagen. Cristiani konnte aber keine Zusagen erhalten, von den jeweiligen Staats- oder Regierungschefs auch nur empfangen zu werden. Selbst die Eiserne Lady, Washingtons Speerspitze in Europa, scheut sich, für den Strohmann der Todesschwadroneure den roten Teppich auszurollen, und trifft den Salvadorianer lieber zu einem Arbeitsgespräch.
Diplomaten in San Salvador bestätigen, daß die EG-Staaten beschlossen haben, bereits zugesagte Mittel zwar auszuzahlen, aber vorerst keine neuen zu bewilligen. Die Europäer wollen abwarten, ob sich der geschmeidige Kaffeebaron gegen den paramilitärischen Flügel seiner eigenen Partei durchsetzen kann und im Dialog mit der FMLN -Guerilla echte Bereitschaft zu einer politischen Lösung des Bürgerkrieges zeigt. Sie haben es nicht so eilig wie die USA, wo der Senat die erste Verhandlungsrunde in Mexiko mit mageren Ergebnissen - bereits zum Anlaß nahm, zusätzliche fünf Millionen Dollar für El Salvador zu genehmigen. Die Gelder sind ausgerechnet für die Sicherheitskräfte bestimmt, die praktisch alle Gefangenen nachweislich und systematisch foltern.
Die USA werden 1989 etwa 390 Millionen Dollar in das Überleben der salvadorianischen Regierung investieren (nur Israel, Ägypten, Pakistan und die Türkei bekommen mehr). Dagegen scheinen die 50 Millionen Dollar, die die Bundesrepublik in letzter Zeit jährlich im Durchschnitt spendiert hat, Kleingeld. Doch angesichts der sinkenden Preise für Kaffee, das mit Abstand wichtigste Exportprodukt El Salvadors, wird das neoliberale Wirtschaftsprogramm, das auf steigenden Ausfuhren basiert, kaum greifen, wenn Europa der rechtsextremen Regierung eine massive Unterstützung verweigert.
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