: Von Chamäleons und Göttern
■ Ein Jahr vor seiner Verhaftung hielt der malawische Lyriker Jack Mapanje in Stockholm vor der Zweiten Konferenz Afrikanischer Schriftsteller einen Vortrag über seine Erfahrungen mit der malawischen Zensur, hier leicht gekürzt
Jack Mapanje
Lassen Sie mich gleich zu Beginn meinen Vortrag zusammenfassen, da ich vorhabe, Sie anschließend mit einer Reihe bizarrer und größtenteils persönlicher Anekdoten bekanntzumachen, die vielleicht das Wesentliche etwas verdecken.
Erstens: In den letzten 20 Jahren sind wir in vielen unabhängigen Staaten Afrikas zu Zeugen einer beispiellosen Entwicklung weitreichender Zensur gegenüber afrikanischem Schreiben und anderen künstlerischen Aktivitäten geworden. Der Vorwand: Man müsse die afrikanische Gesellschaft vor der Dekadenz der Schriftsteller und Künstler schützen. Die Situation ist so ernst geworden, daß Schriftsteller, Wissenschaftler und andere sich dringende Gegenmaßnahmen überlegen sollten. Ich möchte dieser ausgezeichneten Versammlung den Vorschlag unterbreiten, daß Schriftsteller mit ebensoviel Feinsinn und Phantasie den Kampf gegen die Zensur führen, wie sie sie in ihren Werken gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung in dieser Welt aufwenden. Ich halte dies deshalb für so besonders wichtig, weil sich die Zensur in Afrika nicht mehr nur mit Menschen- und Bürgerrechtsforderungen oder politischen Freiheitsrechten befaßt - übrigens alles Rechte, zu deren Einhaltung sich afrikanische Regierungen durch ihren Beitritt zur UNO automatisch verpflichten. Vielmehr sind Zensurbehörden vor allem darauf bedacht, die eigenen Angestellten vor der Entlassung zu bewahren und die Unterdrückungspolitik der Regime, die sie beschäftigen, in Schutz zu nehmen. Ganz zum Schluß erst schützt die Zensur tatsächlich: afrikanische Politiker vor der Wahrheit.
Zweitens: Ich möchte dafür votieren, daß es in diesem Kampf keine „Kollaborateure“ oder „Exilanten“ gibt. Diese Etiketten, mit denen wir uns in den letzten Jahren freigiebig versehen haben, sind veraltet. Heute ist beispielsweise allgemein anerkannt, daß die Kinder von Soweto und von anderen Townships in Südfafrika zum Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Apartheid mehr beigetragen haben als mancher, die im Exil lebt, zugeben möchte. Deshalb sollten wir uns für diesen Kampf zusammentun, und ich schlage vor, wir nehmen den arroganten und selbstzufriedenen Ton, den die Zensoren uns gegenüber so gern anschlagen, einmal für uns selbst in Anspruch. Nicht Zensoren und Politiker, sondern die afrikanischen Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler sind Wächter der afrikanischen Kultur. Schriftsteller wissen so gut wie jeder andere, was das beste für afrikanische Gesellschaften ist. Ich möchte weiter vorschlagen, daß wir einen Blick in die Schubladen der Zensoren wagen, damit wir ihren Maßnahmen gegen uns besser begegnen können.
Und schließlich möchte ich behaupten, daß - wenngleich solche Aktionen gefährlich sind und ihr Erfolg begrenzt ist
-der Gewinn, selbst wenn er sich erst für die Nachwelt einstellt, auch für uns seine Vorteile hat. Natürlich ist es keine ideale Situa tion, gegen Zensur kämpfen zu müssen, anstatt in Ruhe schreiben zu können. Wenn Zensoren jedoch zur Plage werden, wie es in einigen Ländern der Fall ist, dann ist der beste Gegenzug wahrscheinlich doch eine Kriegserklärung, wie einsam und undankbar, frustrierend und demütigend die Resultate auch sind. Hierzu hat der berühmte polnische Romanautor Tadeusz Konwicki (im März 1986 für 'Index on Censorship‘, d.Red.) folgendes geschrieben: „Das Schreiben unter Zensurbedingungen hat auch seine guten Seiten. Es hat etwas von Glücksspiel oder Wettbewerb an sich. Das Bewußtsein darüber, einem Zensor ausgeliefert zu sein, kann einen Schriftsteller mobilisieren, Mittel und Wege der Umgehung zu suchen; es kann den Schriftsteller zum Gebrauch von Metaphern veranlassen, die den ganzen Text auf eine höhere Ebene bringen.“
Nun aber zu den Erfahrungen, die ich mit der Zensur in Malawi gemacht habe. 1981 veröffentlichte ich in Großbritannien einen Geedichtband mit dem TitelOf Chameleons and Gods. Lassen Sie mich die Geschichte seines Verbots kurz nacherzählen. Das Buch hatte einen vielversprechenden Premierenabend in der National Poetry Society in London; es kamen Freunde, ein paar Kritiker, Verleger, Studenten afrikanischer Literatur, einige Zyniker und zwei Informationen der malawischen Zensurbehörde. Es war also ein Ereignis. Ich finde, Malawi hätte stolz darauf sein können, daß ein weiteres Landeskind der Nation sich einen Platz auf der literarischen Landkarte gesichert hatte.
Aber es sollte nicht sein. Ich wohnte weiterhin in London und bekam einige schöne Besprechungen meiner Verse. Eines Tages kursierte das Gerücht, das Buch solle in Malawi verboten werden. Zum Beispiel hatte ich gehört, daß die Sonderabteilung alle 50 Exemplare, die ich im Universitätsbuchladen in Malawi hinterlassen hatte, aufgekauft und in Latrinengruben geworfen hatte. Einem anderen Buchhändler wurde aufgetragen, die Bücher nach London zurückzuschicken. Gründe für diese Maßnahmen wurden nicht angegeben. Daraufhin schrieb ich einem der Zensoren, den ich kannte, und fragte ihn, ob die Geschichten, die ich da gehört hatte, der Wahrheit entsprachen. Man schrieb mir zurück, ich hätte ihnen das Manuskript vor Drucklegung gefälligst vorlegen sollen. Das Buch sei jedoch weiterhin in Umlauf; Universitätsstudenten könnten es im Rahmen ihres Studiums ostafrikanischer Literatur benutzen. Ich beruhigte mich wieder.
Ein Jahr nach der Veröffentlichung erhielt ich von einem malawischen Verleger einen ziemlich ungewöhnlichen Brief. Er stammte vom 13.April 1982, der Verleger schrieb mir unter anderem folgendes: „Ich trage mich mit der Absicht, eine malawische Version von Of Chameleons and Gods herauszubringen. Dies würde unserer literarischen Reihe einen knalligen Abgang (sic!) verschaffen (statt „blast-off“ (knalliger Start) schrieb der Verleger in seiner Begeisterung „blasting send-off„; „send-off“ jedoch heißt: Verabschiedung, d.Ü.). Ich möchte versuchen, auf diesem Gebiet mehr zu machen, und hätte dafür gern gleich zu Anfang etwas recht Kraftvolles. Sollten Sie Ihre Zustimmung geben, wäre es jedoch notwendig, einige Titel (Gedichte) aus der Sammlung herauszunehmen, diejenigen nämlich, die - um einen anonymen Gutachter zu zitieren - 'an noch offene Wunden der Geschichten Malawis rühren‘.“
Mein Freund, so nannte er sich selbst, fuhr dann fort, mir die Vorteile, die sein Vorschlag habe, aufzuzählen. „Die Bewohner Malawis hätten die Chance, zumindest 80 Prozent Ihrer Gedichte zur Lektüre frei verfügbar zu haben, und ich glaube, daß sowohl Sie selbst als auch das malawische Publikum es wünschenswert finden, daß die in ihnen enthaltene Erfahrung mitgeteilt wird. Für dieses Unternehmen müßten wir natürlich eine Lizenz des Heinemann-Verlags einholen, und zwar nachdem Sie uns die schriftliche Erlaubnis zur Publikation mit besagten Auslassungen gegeben haben.“ Am Ende des Briefes bat mein „Freund“ mich, herzliche Grüße an meine Familie von ihm auszurichten.
Man faßt sich heute noch an den Kopf bei der Frage, was mit „malawische Version“ von malawischen Gedichten gemeint war und welche Auslassungen man sich da ausgedacht hatte. Ich beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Dafür mußte ich nach Hause fahren, um herauszufinden, was da tatsächlich passierte. Der Satz, mit dem mein „Freund“ seinen Brief abschloß, war besonders entlarvend. Er schrieb: „Ich hoffe, Sie geben mir recht bald Bescheid, selbst wenn Ihre Antwort auf meinen Vorschlag Nein sein sollte.“ In meiner Antwort bat ich den Freund zu warten, bis ich meine Studien abgeschlossen hätte. Sobald ich zu Hause sei, würden wir über sein Angebot sprechen. Ich schlug ihm außerdem vor, ich könnte vielleicht einmal ein Gedicht schreiben mit dem Titel Über das Rühren in die offenen Wunden der Nation. Als ich im April 1983 zurückkehrte, blieb die ganze Angelegenheit zwischen uns unerwähnt. Wir vermieden höflich jede Erwähnung des „knalligen Abgangs“, den sie (wer immer sie waren) vermutlich eher mir als meinen Gedichten zugedacht hatten.
Of Chameleons and Gods erreichte 1984 die zweite Auflage, hauptsächlich wegen der Verkäufe außerhalb Malawis und sehr zum Unwillen gewisser Mitglieder der Zensurbehörde. Denn falls das Buch doch auch in Malawi verkauft wurde, dann inoffiziell. Ich möchte Ihnen all die Witze und Bemerkungen ersparen, mit denen ich wegen dieser Gedichte überhäuft wurde. Einer sagte mir sarkastisch: „Nun ja, irgendwann werden wir dein Buch schon in einem dieser Läden kaufen können.“ Und ein anderer meinte: „Warum beißt du die Hand, die dich füttert?“ Und so weiter. In der Zwischenzeit jedoch beschäftigte ich mich mit meinen eigenen privaten Nachforschungen. Ich wollte wissen, wer die Gutachten für die Zensur gemacht hatte und was tatsächlich darin stand, so daß eine solch quälende unklare Situation die Folge war.
Eines Tages schrieb mir ein ehemaliger Student, der inzwischen Lehrer geworden war, und fragte, was ich mir zu Schulden hätte kommen lassen. Dem Brief war die Kopie eines Rundschreibens vom Ministerium für Erziehung und Kultur beigelegt. Es stammte vom Juni 1985 und lautete: „Ich möchte Sie hiermit davon unterrichten, daß die Gedichtsammlung Of Chameleons and Gods von Dr. Jack Mapanje zu einem ungeeigneten Lehrmittel für die Schulen und Colleges des Landes erklärt worden ist. Exemplare dieses Buches sollten unverzüglich von unseren Schulen und Colleges entfernt werden. Weiterhin ist der Zensurbehörde bekannt geworden, daß sich Exemplare des Bandes When Sunset comes to Sapitwa, Gedichte von Professor Felix Mnthali, in einigen Schulen und Colleges in Umlauf sind. Dieses Buch ist nicht durch die Zensur gegangen. Institutionen, die sich im Besitz dieser Gedichtsammlung befinden, sollten sie sofort an den Direktor der Zensurbehörde zur Kontrolle weiterleiten.“
Daß Felix Mnthalis Gedichte der Zensur entgangen waren, war erstaunlich, da sie bereits vor meinem Buch in Sambia erschienen waren - und viele in Malawi besaßen inzwischen ein Exemplar. Meines Wissens hat bisher niemand ein Exemplar zum Zensor gebracht; das Buch scheint zu kostbar, als daß man sein Exemplar so einfach hergeben würde.
Diese Ereignisse kann jeder deuten, wie er will. Mich faszinierte vor allem die Arroganz der Zensoren; sie gaben nicht einmal Gründe für die Entfernung des Buches aus den Schulen an; falls ihnen daran gelegen war, zukünftig solche Bücher zu verhindern, hatten sie nicht besonders deutlich gemacht, wie ein Schriftsteller sich künftig zu verhalten habe.
Aber dann wurde ich auf meiner Suche fündig. Durch puren Zufall hatte ich entdeckt, daß die Gutachter meines Buches für die Zensur Akademiker, Schriftsteller und höchst respektable Mitglieder der Gesellschaft waren. Die Gutachter stammten also aus der Schicht der Gebildeten: im Grunde eine große Errungenschaft für die Zensurbehörde und das Land. Wir hatten uns schon an Gutachter gewöhnt, die weder vernünftig Englisch noch Französisch lesen konnten und ein Buch schon aufgrund seines Titels (falls der irgendwie nach Revolution klang) verbaten oder wegen „schmutziger“ Wörter. In dieser Angelegenheit jefoch hatte ein angesehener Professor über Of Chameleons and Gods an die Zensoren geschrieben: „Dies ist ernste Literatur, zutiefst moralisch in ihrer Tendenz.“ Ein anderer, von Beruf Schriftsteller und Dozent, meinte: „Ich persönlich kann nichts erkennen, das sich explizit auf die regionale Szenerie bezöge.“ Jemand anderes, den ich persönlich kenne, schrieb: „Diese Gedichte sind, oberflächlich betrachtet, trivial und schwer verständlich. Aber wie Verleger und Autor sagen: Seine Stimme ist gedämpft worden. Natürlich ist er deshalb ziemlich kritisch. Meine Empfehlung: Es dürfte nicht nötig sein, diese Gedichte insgesamt oder in Teilen zu verbieten, aber die Veröffentlichung einiger davon sollte verschoben werden.“ Ein anderer ehemaliger Student von mir, der inzwischen für die Regierung arbeitete, schrieb: „Mein persönlicher Eindruck ist, daß der Dichter in diesen Gedichten seine Bitterkeit gegenüber dem System ausdrückt; aber ich könnte mich auch irren, denn es ist schwierig, ohne gründliche Kenntnis dessen, was der Autor meinte, als er schrieb, das Resultat zu beurteilen. Urteil: Zweifelhaft.“
Literarisch weniger brillant schrieben zwei andere: „Urteil: kein Problem“. Obwohl alle diese Berichte letztlich gegen ein Verbot argumentierten, hatten die Zensoren den Vertrieb des Buchs dennoch untersagt. Warum? Ich bekam heraus, daß in der Universität jemand Einflußreiches saß, der in solchen Angelegenheiten konsultiert wurde. Und der hatte entschieden, daß kein Verbot ausgesprochen werden sollte. Dieser Mann war derselbe, der sich angeblich durch Studenten und Dozenten über politische Aktivitäten ihrer Kollegen informieren ließ und seinerseits den entsprechenden Behörden seinen Bericht zukommen ließ. Offenbar waren es diese Informanten gewesen, die ihm berichtet hatten, ich hätte nicht vor, nach Abschluß meiner Studien in Großbritannien nach Malawi zurückzukehren. Aber es gab einen weiteren Grund dafür, das Buch besser nicht zu verbieten. Einer der Zensoren sagte mir, ein Verbot sei ein zu drastischer Schritt. Es würde mich zum Helden machen - und davon wollten sie lieber nicht so viele. Oder falls später einmal entdeckt würde, daß das Buch zu Unrecht verboten worden ist (und das war offensichtlich passiert; das Staatsoberhaupt brachte ein Buch aus Amerika mit und entdeckte zu Hause, daß es in seinem Land verboten war; daraufhin verfügte er die Aufhebung des Verbots und veränderte die Zusammensetzung der Zensurbehörde!), dann hätten sie jedenfalls keine schuld. Oder ich würde irgendwann in ferner Zukunft einmal ein wichtiger Mann dann hätte ich zumindest keinen Grund, sie alle zu entlassen. Diese trivialen Begründungen führen alle zur gleichen wichtigen Frage, nämlich wer eigentlich und zu welchem Zweck die Zensur praktisch ausübt.
Ein weitere Version besagt, daß mein Buch wegen des Vorworts verboten beziehungsweise aus dem Verkehr gezogen wurde. Im Vorwort heißt es: „Die Gedichte dieses Bandes sind innerhalb der letzten zehn turbulenten Jahre entstanden. In dieser Zeit habe ich versucht, eine Stimme oder mehrere Stimmen zu finden, um meine geistige Gesundheit zu erhalten. Dies ist natürlich dort, wo die eigene Stimme schnell erstickt wird, kein einfaches Unternehmen... Aber diese Erfahrung war, wenn nichts anderes, so doch zumindest therapeutisch; und das ist unter unseren Bedingungen keine unwichtige Sache.“
Einige „Freunde“ wiesen mich wiederum auf ein Gedicht hin, das sie für zu gefährlich hielten. Es hat den Titel Unsere Clowns zu Märtyrern machen. Die Szene, die es beschreibt, ist so normal, daß es für keinen, der seine fünf Sinne beisammen hat, eine Quelle des Ärgernisses sein kann. Ein Minister hat seinen Job verloren und geht zurück in sein Dorf. In seiner Arroganz hat er es nie für nötig befunden, in seiner Zeit als Minister seine Hütte zu Hause instand zu halten. Das Problem war, daß in einer Gesellschaft, in der solche Angelegenheiten nicht öffentlich und freimütig diskutiert werden, dieses Gedicht zu brisant schien. Jeder denkt, mit diesen Zeilen sei er gemeint. Und da unglückseligerweise mehr und mehr Minister ihre Jobs verlieren, wird das Gedicht nur noch brisanter.
(...) Fragen Sie mich nicht, wie wir unter solchen Bedingungen überhaupt schreiben können. 1970 haben wir eine Schriftstellergruppe an der Universität eingerichtet. Fast alle zeitgenössischen Schriftsteller Malawis - mit Ausnahme unseres frühesten und wichtigsten Schriftstellers, David Rubadiri - waren früher oder später einmal Mitglieder dieser Gruppe. Die informellen Treffen sind jeden Donnerstag; dort können Dozenten, Studenten und alle von außerhalb der Universität ihre Arbeiten vor der Publikation öffentlich lesen und diskutieren. Es ist ein undankbarer Kulturdienst an der Nation, und nur die Zeit wird vielleicht einmal zeigen, ob er wichtig war.
In einigen Teilen des unabhängigen Afrikas wird Zensur ausgeübt, um jede Entwicklung einer authentischen afrikanischen Kultur im Keim zu ersticken. Das Ziel der Zensur ist die Demütigung der Schriftsteller, der Versuch, „sie auf Maß zu bringen“. Schriftsteller sollen sich schuldig fühlen, sie sollen glauben, daß sie keine guten Bürger sind, daß sie nichts für die Nation leisten, daß sie ein undankbares Volk sind.
Die Entwicklung nationaler Kulturen soll kontrolliert werden von ein paar Zensoren und ihren Informanten. Die Schriftsteller sind ein Ärgernis. Selbst konstruktive Kritik von ihnen (und die meisten sind in jedermanns Augen verantwortliche Bürger) wird höhnisch abgewehrt. Was gut ist für die Massen unserer Völker, wissen die am besten, die politisch und ökonomisch die Macht haben. Dichtung ernährt niemanden. Sie zeigt nur dem IWF und der Weltbank die schmutzige Wäsche Afrikas. Die Länder Afrikas müssen als ruhig, ordentlich und friedlich dargestellt werden, sonst leihen IWF und Weltbank uns nicht das Geld, das die hungrigen Massen benötigen. Wir alle kennen diese Geschichte und die Verdrehung der Wahrheit, die sie enthält.
Bevor ich zu dieser Konferenz aufbrach, beschloß ich, eine Zensorin, die ich kannte, noch einmal persönlich mit dem, was ich herausgefunden hatte, zu konfrontieren. Ich sagte ihr, ich sei der Meinung, wir säßen alle im gleichen Boot. Sie hätten mein Buch gewiß nur deshalb verboten, weil sie sonst womöglich ihren Job verloren hätten. Sie aber bestand darauf, mein Buch dürfe lediglich nicht vertrieben werden. Ich fragte: „Ist es das, was ich meinen Freunden in Stockholm sagen soll, wenn sie mich nach meinem Buch fragen?“ Die Antwort war: „Erzähl deinen Freunden, daß dein Buch nicht verboten ist, sondern lediglich aus den Buchhandlungen verschwunden ist. Das heißt, man kann es, wenn man will, zu Hause im Schrank haben, das ist nicht illegal.“ Ich fragte weiter: „Kann denn jemand das Buch im Schrank haben, wenn es nicht in den Buchläden zu haben ist?“ Die Antwort kam prompt: „Theoretisch ja, denn gegen dich liegt keine Anzeige vor, und du wirst auch nicht verfolgt.“
Die Geschichte meiner Verfolgung möchte ich Ihnen ersparen. Statt dessen lassen Sie mich mit ein paar unvollkommenen Zeilen schließen, die ich mühsam zu einem Gedicht zusammengestellt habe:
Über das Verbot des Buches Über Chamäleons und Götter (Juni 1985)
Der Geruch deines Verbots ist auch nach vier Jahre
& einer Nachauflage noch nicht beißend genug, liebe Schwester, & die Drohung deine
Bruders
„Deine Chamäleons rühren an die offenen Wunde
unserer Nation!“ reimt sich nicht, wie sehr ihr's auc
versucht. Verbieten, verbrennen oder bloß rausnehme
aus dem öffentlichen Gefecht, was ist da der Unterschied? E
beleidigt unsere Leser, euch & mich. Was
seht ihr bloß in diesen senilen Chamäleons,
diesen gichtigen mythischen Göttern & freizügigen Mphunz
Leoparden, das solche Hitzigkeit verdiente? Habt ih
denn nicht die Kinderreime gehört oder die Witze
die man auf dem Marktplatz reißt über eure Bosse & ihr
Konkubinen? Macht das denn Spaß, nur auf Zeilen zu schiele
und nie zu ergründen zu suchen, was selbst
die Schwalben auf dem stacheligen Draht eures Hauptgefängnisses schon wissen? Wer weiß nich
wer an wessen Landes Wunden rührt,
ganz offen?
& warum sollte mein Rühren an Wunden wichtiger sei
als euer Hacken nach unschuldigen Hälsen?
Nein, um der Kinder willen, löst die Wahrheit aus den Fesseln
laßt die Verse, die ihr uns ins Herz gesperrt habt, frei
Mapanjes Vortrag ist zuerst erschienen in: „Criticism and Ideology“, Uppsala 1988
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