Die „Großmogule“ setze weiter auf Berlin

■ Bleibt die Akademie der Wissenschaften teilweise in Berlin? / Hessisches Akademiegesetz sieht regionale Abteilungen auch in Berlin vor / „Exil“ in Hessen hängt von der Zustimmung der SPD-Opposition im Landtag ab / Akademie-Projekte laufen weiter bis Ende 1991

Gelingt es Horst Albach, dem Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, seine Honoratioren-Akademie doch noch in Berlin zu halten - zumindest teilweise? Die rot -grüne Koalition beabsichtigt zwar nach wie vor, das Auflösungsgesetz bis zum Ende des Jahres im Abgeordnetenhaus zu verabschieden. Nur wenige unter den Tausenden von Berliner Wissenschaftlern sind bereit, wegen der geplanten Schließung Tränen zu vergießen. Die Hochschulen profitieren kaum von der Akademie, im Gegenteil, hier wird eher Forschung aus den Universitäten ausgelagert. Trotz der geplanten Auflösung findet in der Dahlemer Griegstraße, dem Sitz der Akademie, nicht unbedingt ein Mieterwechsel statt.

Am 12. Oktober wurde im hessischen Landtag das Akademie -Gesetz eingebracht, mit welchem den „Großmogulen der Wissenschaft“ - so werden die 31 Akademie-Mitglieder von ihren Kritikern bezeichnet - in Wiesbaden quasi Exil gewährt werden soll. Danach ist der Fortbestand eines Teils der Akademie in Berlin jedenfalls möglich. Denn das hessische Akademie-Gesetz sieht regionale Abteilungen vor, insbesondere eine in Berlin, um die noch hier laufenden Projekte abzuwickeln. In Kenntnis der hessischen Pläne hatte die Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel Hessen bereits im Juli eine Verwaltungsvereinbarung vorgeschlagen, um einen eventuellen Wechsel der Trägerschaft bei Fortführung der Projekte zu bewerkstelligen. Denn der Senat muß die begonnenen Akademie-Projekte, die größtenteils 1991 auslaufen, zu Ende finanzieren, obwohl dann schon eventuell Hessen Träger der Akademie wäre.

Aber auch danach soll noch nicht Schluß sein mit der Akademie in Berlin, geht es nach dem Willen von Horst Albach. Er spekuliert bereits jetzt darauf, auch neue Projekte in Berlin beginnen zu können, finanziert aus Mitteln der Berliner Wirtschaft oder Fördereinrichtungen, also Drittmitteln. Er träumt, wie er dem 'Tagesspiegel‘ anvertraute, von der „Quadratur des Kreises“: einer öffentlichen Trägerschaft, damit die Akademie nicht in Verruf gerät, bei privater Finanzierung - und das alles in Berlin. Offensichtlich hängt Albach an Berlin. Reizvoll wäre diese Lösung für Albach auch noch aus einem anderen Grunde: mittlerweile ist er nämlich auch Forschungsprofessor am WZB. Seine gelegentlichen Visiten von Wiesbaden nach Berlin bekämen damit einen doppelten Sinn.

Dennoch hat der schöne Plan einen Haken: die Akademie besteht auf einer breiten Zustimmung der Opposition im hessischen Landtag zum neuen Akademie-Gesetz, damit sie im Falle eines Regierungswechsels in Wiesbaden nicht von neuem von einer Auflösung bedroht ist. Allein die hessische SPD kann Albachs konservative Elitetruppe noch in ihrem Eifer aufhalten, die Berliner Wissenschaftslandschaft zu beglücken. Um die Akzeptanz bei der Opposition zu vergrößern, wurde deshalb Kosmetik betrieben: Im Gegensatz zur Berliner Akademie ist im hessischen Modell ein Kuratorium vorgesehen, und die wissenschaftlichen Mitarbeiter sollen gewisse Mitspracherechte im Rat, dem Führungsgremium der Akademie, erhalten.

Dennoch haben sich die hessischen Grünen strikt gegen die Übernahme ausgesprochen. Ebenso wie bei ihren KollegInnen in der AL ist ihrer Meinung nach die Akademie nicht reformierbar. Und auch die hessische SPD-Landtagsfraktion, auf deren Zustimmung es Albach vor allem ankommt, tendiert gegenwärtig eher zum Nein. Sie kritisiert am hessischen Akademie-Gesetz vor allem, daß das Land Hessen keinen Einfluß auf die lebenslänglich geltenden Berufungen haben soll. Die derzeitigen 31 vorwiegend konservativen Akademie -Mitglieder wollen sich die Aufstockung ihrer Akademie auf 60 Mitglieder aber nicht aus der Hand nehmen lassen. Die Mogule der Wissenschaft müßten sich also äußerst flexibel zeigen, um zu überleben. Sind sie's?

Thomas Werres