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Wissenschaft und Technik: Genomknacker auf den Spuren Mengeles / Die nicht so gute alte Zeit / Doch keine Außerirdischen? / Ein Kraut gegen Malaria / Wildnis-Inventar / Gottesfurcht auf Torontos Wallstreet

DEN SPUREN MENGELES

Josef Mengele, der berüchtigte Arzt von Auschwitz, ist noch immer nicht - mit hundertprozentiger Sicherheit - tot. Angeblich soll Mengele 1979 in Brasilien ertrunken und beerdigt worden sein. Eine Gruppe Gerichtsmediziner exhumierte und untersuchte vor vier Jahren Knochen, die, nach Angabe von in Brasilien lebenden österreichischen Emigranten, jene Mengeles seien. Die Mediziner bestätigten „mit angemessener wissenschaftlicher Sicherheit“, daß die Knochen tatsächlich von Mengele stammen. Eine Untersuchung des Gebisses des Skeletts erhärtete den Verdacht. Es stimmte mit zahnärztlichen Unterlagen in Brasilien, die angeblich von Mengele sind, total überein. Trotzdem blieben letzte Zweifel: An den aufgefundenen Knochen ließ sich kein Hinweis auf eine Knochenkrankheit, die Osteomyelitis, entdecken, an der Mengele erkrankt gewesen war. Besonders von israelischer Seite hat es deshalb immer wieder Druck gegeben, die Möglichkeit, daß Mengele lebt, endgültig aus der Welt zu räumen. Dies soll nun mit Hilfe der modernen Gentechnologie geschehen. Aus den angeblichen Knochen Mengeles wollen die Genanalytiker Erbsubstanz gewinnen und mit dem Erbgut, das aus dem Blut und Gewebe des in Deutschland lebenden Sohnes von Mengele, Rolf Mengele, stammt, vergleichen. Viel Hoffnung auf Erfolg haben die deutschen Genomknacker allerdings nicht, obwohl ihnen der Erfinder des „genetischen Fingerabdrucks“, der Brite Alec Jeffries, zur Seite stehen wird. Die Knochen, meint Jeffries, lagen zehn Jahre unter der Erde, und die DNS ist wahrscheinlich abgebaut. Theoretisch reicht ein einziges DNS-Molekül aus, um ein Genom zu knacken, weil das Erbmaterial neuerdings im Labor beliebig vervielfältigt werden kann. Die Fehlerquoten sind dann jedoch relativ hoch. Überhaupt ist die Genomanalyse, die in den USA bereits zur Überführung von Kriminellen benutzt wird, in den letzten Monaten zunehmend in Verruf geraten. US-Wissenschaftler beanstanden nicht nur, daß es häufig zu Fehlern bei den Laboruntersuchungen kommt, sondern kritisieren auch die Methode allgemein. Im Fall Mengele könnte der genetische Fingerabdruck jedoch ausreichen, um eine „Negativ„-Diagnose zu erstellen. Das heißt eine Verwandtschaft zwischen Rolf Mengele und der exhumierten Leiche ließe sich eventuell mit Sicherheit ausschließen.

New Scientist DIE NICHT SO

GUTE ALTE ZEIT

Als unsere Vorfahren vor 12.000 Jahren ihr Jäger- und Sammler-Dasein aufgaben, um sich der Landwirtschaft zu widmen, wurden sie auch schon von den ersten „Zivilisationskrankheiten“ heimgesucht. Die Engländerin Theya Molleson und Kollegen untersuchten die menschlichen Überreste in Grabstätten bei Tell Abu Hureyra im östlichen Syrien. Die Gräber entstanden während der „landwirtschaftlichen Revolution“ der Jungsteinzeit. Viele der damals beerdigten Menschen, stellte die Anthropologin fest, litten an Gelenk- und Knochenkrankheiten. Besonders die Zeh- und Fußgelenkknochen waren abgenutzt, und die Knie und unteren Teile der Wirbelsäule wiesen Spuren schwerer Arthritis auf. Molleson ist der Ansicht, daß die Schäden beim Mahlen von Getreide entstanden. Die jungsteinzeitlichen Landwirte knieten, die Zehen unter die Füße gezogen, auf dem Boden und rieben mit gleichförmiger Vorwärts- und Rückwärtsbewegung Steine über das vor ihnen liegende Getreide. Dabei wurden die Knie, Handgelenke und der untere Teil der Wirbelsäule stark beansprucht. Eine weitere prähistorische „Zivilisationskrankheit“ entdeckte eine kanadische Wissenschaftlerin bei 4.000 bis 5.000 Jahre alten Skeletten aus dem Industal. Menschen, die damals auf dem Land lebten, litten häufig unter Arthritis der Nackenwirbel. Die Stadtbewohner waren von der Krankheit nicht betroffen. Die Krankheit trat wahrscheinlich deshalb vorwiegend in den ländlichen Gebieten auf, weil die Bevölkerung dort häufig Lasten auf dem Kopf trug. Antiquity, New Scientist DOCH KEINE

AUSSERIRDISCHEN?

Merkwürdiges beobachten die Engländer in den letzten zehn Jahren immer wieder in ihren Getreidefeldern: Perfekte Kreise mit einem Durchmesser bis zu 30 Meter treten gänzlich unversehens auf. Innerhalb des Kreises sind die Pflanzen platt auf den Boden gedrückt, außerhalb bleiben die Felder unberührt. Die Bauern haben allerdings schon eine Erklärung für das rätselhafte Phänomen: Die Außerirdischen landen mit ihren fliegenden Untertassen in den Getreidefeldern. Doch der eigens zur Untersuchung der Erscheinung eingestellte Wissenschaftler Terence Meaden wollte sich der Meinung nicht anschließen, zumal er einen Augenzeugen hatte, der die Entstehung eines „Getreidekreises“ beobachtet hatte. Der hatte an einem Sommerabend nach einem Gewitter zugesehen, wie ein Windstoß mit 80 Stundenkilometer auf einer leicht gekrümmten Bahn durch die Ähren eines Getreidefeldes stob. Plötzlich sei der Wind aus der Krümmung heraus in einen kreisförmigen Wirbelsturm übergegangen. Innerhalb von vier Sekunden hätte sich im Getreide ein Kreis mit 25 Meter Durchmesser gebildet. Dabei habe man das Rascheln des zu Boden gedrückten Getreides und ein scharfes Zischen gehört. Eine fliegende Untertasse wurde nicht gesichtigt. Meaden ist überzeugt, daß Luftwirbel - mit horizontaler Achse -, die über die Getreidefelder hinwegfegen, für das Phänomen verantwortlich sind. Bei einer leichten Drehung der Achse weg von der Horizontalen bilden die Wirbelwinde die kreisförmigen Einbuchtungen in den Getreidefeldern. Einige Skeptiker sind von dieser Erklärung jedoch nicht überzeugt. Warum, zweifeln sie, fabriziert ein Luftwirbel Kreise mit perfekten Rändern? Während innerhalb des Kreises nämlich alle Halme flach am Boden liegen, bleiben Pflanzen außerhalb gänzlich unbehelligt. Turbulenzen am Rand eines Wirbelwinds würden solche Perfektion verhindern. Die ist womöglich nur den Außerterrestrischen gegeben. Journal of Meteorology EIN KRAUT

GEGEN MALARIA

Noch heute ist Malaria die weltweit am weitesten verbreitete Krankheit. Jährlich erkranken an ihr 200 bis 300 Millionen Menschen. Zwei bis drei Millionen, die Hälfte davon Kinder, sterben. Die ersten Niederschriften über diese Geißel der Menschheit finden sich auf ägyptischem Papyrus aus dem 16. Jahrhundert vor Christus. Das erste Mittel gegen die Krankheit stammt angeblich von den Inkas in Peru. Sie sollen Jesuitenmönche im 17. Jahrhundert auf die fiebersenkende Wirkung der Rinde des immergrünen Cinchona-Baumes aufmerksam gemacht haben. Zwei Jahrhunderte später isolierten französische Chemiker das Alkaloid Chinin aus der Rinde, das seither das wichtigste Medikament gegen Malaria geblieben ist. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs begann man Chinin-ähnliche Stoffe im Labor zu synthetisieren, weil die rivalisierenden Mächte sich gegenseitig den Zugang zu den Cinchona-Plantagen abschnitten. Als in der Nachkriegszeit DDT als Wunderwaffe gegen die Schnaken, die den Malaria -Erreger übertragen, eingesetzt wurde, hoffte man zunächst, die Krankheit ähnlich wie die Pocken bald gänzlich auszurotten. Doch bald wurden die üblen Auswirkungen von DDT auf Umwelt und Gesundheit bekannt und das Pestizid in vielen Ländern verboten. Und 1960 meldeten Ärzte in Kolumbien erstmals, daß Malariakranke nicht auf das gebräuchlichste Medikament ansprachen. Der Erreger war gegen das Mittel resistent geworden. Die Entstehung von Resistenz in Krankheitserregern ist ein fortwährendes Ärgernis für Mediziner. Eine zufällige Mutation verleiht einer Form des Erregers Resistenz. Diese Form kann sich dank ihres Selektionsvorteils rasant ausbreiten, weil die anderen nicht -mutierten Formen, die mit ihr um Platz und Nahrung konkurrieren, durch die Medikamente abgetötet werden. Seit den sechziger Jahren haben sich fortwährend neue resistente Malaria-Erreger gebildet. Seit die Malaria den US-Soldaten im Koreakrieg übel mitspielte, bemüht sich die amerikanische Armee um die Entwicklung neuer Mittel gegen die Krankheit. Die größte Hoffnung, Malaria in Schach zu halten, bieten heute nicht die modernen Gentechnologen, die an Medikamenten und Impfstoffen gegen die Krankheit basteln, sondern eine Pflanze, die der chinesische Kräuterarzt Li Shi-zen erstmals 1527 als fiebersenkendes Mittel verschrieb. Chinesische Wissenschaftler begannen vor 20 Jahren die Heilwirkung der als Artemisia, bekannten Pflanze zu untersuchen. Jetzt haben Chemiker des amerikanischen Walter Reed Army Institute in Washington das Artemisin genannte Extrakt näher unter die Lupe genommen. Die notwendige Artemisia-Art, sonst in China, dem Balkan und Südamerika heimisch, fand man zufällig rechtzeitig an den Ufern des Potomac bei Washington. Sie muß dort durch Zufall hingeschleppt worden sein. (Sehr zu ihrer Verwunderung fanden die Walter-Reed-Chemiker die Pflanze auch auf Schutthalden in Manhattan). Nun ist man am Walter Reed Institute damit beschäftigt, das aus der Pflanze gewonnene Artemisin chemisch so zu verändern, daß es vom menschlichen Organismus gut aufgenommen wird und möglichst lange im Körper bestehen bleibt. Die Substanz wirkt fiebersenkend und tötet den Malaria-Erreger ab, indem sie seine Zellwand angreift. Obendrein scheint Artemisin weniger Nebenwirkungen zu haben als die klassischen Chininderivate. So wird wahrscheinlich, den modernen Chemikern und Biotechnologen zum Trotz, der Menschheit - nach dem Chinin der Inkas - ein weiteres Naturheilmittel als Waffe gegen eine ihrer schlimmsten Krankheiten dienen. Natural History GOTTESFURCHT AUF

TORONTOS WALLSTREET

„Ich weiß nicht, was die Götter mit uns vorhatten“, meinte der Vizevorsitzende des Aktienmarkts im kanadischen Toronto. Drei Stunden lang erstarb im August alles Handeln auf dem Markt, weil sämtliche Computer des angeblich „störungsfreien“ Systems den Geist aufgaben. Die Wissenschaftler machen die Sonne dafür verantwortlich, die dieser Zeit besonders „aktiv“ ist. Die Aktivität der Sonne durchläuft einen Elfjahreszyklus. Höhere Aktivität ist durch die Zunahme von Sonnenflecken, die bei einem Aufflackern der Sonne entstehen, erkennbar. Auf der Erde löst dies gewaltige magnetische Stürme aus, die sich besonders in der Nähe des Nordpols verheerend auf irdische elektromagnetische Felder auswirken. Eine plötzliche Stromzufuhr kann beispielsweise ein Durchbrennen aller Sicherungen in einem Elektrizitätswerk verursachen. Dies geschah diesen Sommer in der kanadischen Provinz Quebec. Das E-Werk Hydro Quebec war zwar vor einem aufkommenden Magnetsturm gewarnt worden und hatte den Strom in seinem Netz vorsichtshalber um 20 Prozent reduziert. Doch entlud sich dank Sonnenkraft ein solcher Stromstoß auf Hydro Quebec, daß es zu einem zweistündigen Black out in Quebec kam. Panik verursachte die Sonne diesen März auch bei jenen, die das Tun und Treiben der Satelliten verfolgen, die außerhalb der Erdatmosphäre ihre Kreise drehen. Ein schwerer geomagnetischer Sturm hatte die äußere Erdatmosphäre erhitzt. Die dehnte sich aus, hinweg von der Erde, und zog 6.000 Satelliten aus ihrer Umlaufbahn - einen Kilometer Richtung Erde. Solarphysiker Victor Gaizauskas vom Canadian Research Council dazu: „Es gab Panik bei unseren Satellitenbeobachtern. Wenn man unter solchen Bedingungen 6.000 Objekte verfolgt, wie weiß man dann noch, wem welches gehört?„New Scientist WILDNIS-INVENTAR

Wie schlimm ist es bestellt um unseren Planeten? Wieviel von der Oberfläche unserer Erde hat der Mensch bereits zerstört oder zumindest besiedelt? Michael McCloskey und Heather Spalding, Wissenschaftler bei der amerikanischen Umweltorganisation „Sierra Club“, beschlossen, das globale Umweltproblem mal auf andere Art und Weise zu me„„„ssen. Sie stellten sich die Frage: Wieviel des globalen Festlands liegt fest in Menschenhand und wieviel Land ist heute noch „unentwickelt und wird in erster Linie von den Mächten der Natur geformt“? Um das Rätsel zu lösen, suchten sie „leere Stellen“ auf Landkarten. Gebiete mit Straßen, Siedlungen, Gebäuden, Flughäfen, Eisenbahnschienen, Ölleitungen, Hochspannungsleitungen, Kanälen, Aquädukten, Bergwerken, Dämmen, Stauseen und Ölbohrlöchern wurden ausgeklammert.

Das Ergebnis der Untersuchung stimmt zunächst optimistisch. Gut ein Drittel der Erde bleibt heute vom Menschen unberührt. Für ihre Arbeit verwandten die Forscher Navigationskarten für den zivilen und militärischen Flugverkehr. Die Karten haben den Vorteil, daß sie in den am wenigsten entwickelten Gebieten am detailliertesten sind, um den Piloten möglichst viel Orientierungshilfe zu geben. Um den Arbeitsaufwand einzuschränken, wurden nur Wildnisgebiete einbezogen, die größer als 400.000 Hektar sind. Wie erwartet, befinden sich 41 Prozent der Wildnis in der Arktik oder Antarktis. Doch immerhin sind auch ein Viertel bis ein Drittel der besiedelten Kontinente - außer Europa - heute noch Wildnisgebiete. Nach der Antarktis folgen Nordamerika (37 Prozent Wildnis), die Sowjetunion (34 Prozent), Australasien, das die Inseln des südwestlichen Pazifiks einschließt (28 Prozent), Afrika (28 Prozent), Südamerika (21 Prozent), Asien (14 Prozent) und Europa (3 Prozent). Weniger als 20 Prozent der noch existierenden Wildnis steht unter Schutz. Und, warnen die Autoren, „mindestens die Hälfte der verbleibenden unberührten Gebiete ist nicht wegen ihrer Unwirtlichkeit automatisch geschützt. Sie können mit der Zunahme der Weltbevölkerung um weitere Milliarden Menschen schnell und unbemerkt dahinschwinden.“ Die Autoren der Studie hoffen, daß ihr Wildnis-Inventar zu neuen Schutzmaßnahmen für bedrohte Landschaft anregen wird. Ambio

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