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HR scharrt mit den Hufen

■ Durch Programmreform hofft der Hessische Rundfunk sich gegen die private Konkurrenz „Radio ffh“ durchzusetzen

Frankfurt (taz) - Dem Intendanten des Hessischen Rundfunks (HR), Hartwig Kelm, ist das Lachen noch nicht vergangen: „Wir sehen dem neuen Privatsender mit scharrenden Hufen entgegen, um ihm zu zeigen, wie gut wir sind.“

Von Mittwoch an nämlich gibt's neue Konkurrenz für den HR im Rhein-Main-Gebiet: Der erste hessische Privatsender „Radio ffh“ - ein Zusammenschluß regionaler und nationaler Zeitungsverleger - will am 15. November den Äther und somit sich selbst bereichern.

Dem HR bleibt also keine andere Wahl, als seinen HörerInnen Alternativen zu bieten - ein reformiertes Programm, eine hessische Perestroika. Denn seit einem Jahr stagniert die HörerInnenzahl von HR 1 und HR 2; der Boulevardsender HR 3 verlor bundesweit gar 300.000 HörerInnen. Flotte Programme, wie jenes von SWF 3, überschallen den HR bei weitem - auch im Rhein-Main-Gebiet, wo annähernd 30 Sender ins Haus rauschen. Nur HR 4 verbucht Erfolge und zeigt, wo's im Radio künftig funken könnte: im Regionalen nämlich. So setzt der Hessische Rundfunk auch hier den Reformhebel an: Vom 27. November an ist das vierte Hörfunkprogramm, dessen Sendeschluß derzeit bei 19 Uhr liegt, rund um die Uhr zu hören - verstärkt mit Sendungen aus dem Hessischen, den Regionalstudios Bergstraße, Frankfurt, Fulda, Kurhessen und Lahn.

Das ist lukrativ für Werbung, die nun auch HR 4 erfaßt, verdrängt aber Sendungen für ausländische Minderheiten, die bislang nach dem Sendeschluß von HR 4 ausgestrahlt wurden: Rendezvous in Deutschland - moderiert in spanisch, türkisch, italienisch, serbo-kroatisch und griechisch. Das Rendezvous weicht künftig von den HR-4-Frequenzen der Ultrakurzwelle auf die einzigen HR-4-Frequenz der Mittelwelle. Der Hörfunkreform liegt eine HörerInnen-Studie des Hessischen Rundfunks zugrunde. Die so ermittelten Hörbedürfnisse fließen ins Programm ein. Zum Beispiel brauchen HR-HörerInnen offensichtlich ein „Erotikon“: Von 23.30 bis 23.55 Uhr an jedem Sonntag (!) bietet der Sender auf HR 2 (!) „klassische erotische Literatur“. Intendant Kelm: „Mit den Sex-Clips von RTL plus hat das überhaupt nichts zu tun!“ Die Reform läßt kaum einen Programmbaustein auf dem anderen. Das wird HR-HörerInnen verdrießen. Doch darf dies nicht über die guten Seiten der „kostenneutralen“ HR-Perestroika hinwegtäuschen. Das Trallalla-Radio nämlich bläst zum Rückzug. Statt seichter Musik gibt es mehr knackige Information - etwa das HR-Telegramm, das nach SWF-3-Vorbild Nachrichten mit KorrespondentInnen-Features verbindet.

„Wir haben unser Informationsangebot nicht eingeschränkt, sondern erweitert“, sagt HR-Programmdirektor Peter Kliemann. Er betont, die HR-Reform unterscheide sich von der des Norddeutschen und des Bayerischen Rundfunks. Kliemann wehrt sich gegen eine vereinheitlichte ARD: „Dann hätten wir Einerlei statt Pluralität.“

Pluralität innerhalb der ARD - ja. Aber diese Vielfalt mit Privatsendern wie Radio ffh zu teilen, fällt dem HR noch schwer. Kelm ist sauer darüber, daß Radio ffh die Symbolfigur des Hessischen Rundfunks, den Onkel Otto, stiebitzt hat und nun erneut auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen damit wirbt: Ab Mittwoch hört Onkel Otto Radio ffh.

Der Kommerzsender bereitet offenbar auch dem HR -Werbeleiter, Hanns Verres, Kummer. Er empfindet es sowieso schon als „ungerecht“, daß die Privatsender werben dürfen, wann und soviel sie wollen, wogegen dem Hessischen Rundfunk für Werbung Grenzen gesetzt wurden. Wird aber die Werbung in diesen Grenzen bleiben?

Bereits jetzt wächst der Einfluß der Werbenden im Hessischen Rundfunk: Die neue Sendung Herz ist Trumpf in HR 4 zum Beispiel wird gänzlich von der HR -Tochtergesellschaft für Werbung verantwortet. Und im HR -Programmplan ist unter der allmorgendlichen HR-1-Sendung Radioladen kleingedruckt vermerkt: „Ein moderiertes Musikprogramm der Werbung, das in Musikfarbe, Moderation und Wortbeiträgen den Erwartungen der Werbekunden entgegenkommt...“ Was da wohl auf den Hessischen Rundfunk zukommt?

Joachim Weidemann

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