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Wie sagen wir's unser'm Kinde?

Gespräch mit Nina Schindler vom „Roten Elefanten“ zur DDR-Kinderliteratur-Tagung  ■  Hier bitte das

Frauenfoto

An diesem Wochenende ist Bremen eine Hochburg der DDR -Kinder-und Jugendliteratur. Der „Rote Elefant“, „Arbeitskreis Kinder-Bücher-Medien“, hat Kinderliteraten der DDR zu einer Tagung schon eingeladen, als das noch schwierig war. Nina Schindler ist Kinderliteratur-Spezialistin und „Rote Elefantin“ aus Bremen.

taz: War es schwer, die Tagung zu organisieren?

Nina Schindler: Es ist verrückterweise so, daß es in Folge dieses Erdrutsches fast schwieriger war als vorher, weil viele von den Kollegen, die ja auch politisch engagiert sind, sich nur schweren Herzens losreißen konnten.

Wie kam der Kontakt zustande?

Es gibt in der DDR ein Zentrum für Kinder-und Jugendliteratur,

eine Verbindungsstelle zwischen Verlagen und Verbrauchern. Mit diesem Zentrum in Berlin-Ost haben wir gute Kontakte, und daher die Kontakte zu den Autoren.

Die Tagung hat ja den Titel „Geschichte und Zeitgeschichte in Kinder-und Jugendbüchern der DDR“. Welche Ansätze gibt es da in der DDR und der BRD?

Es gibt sehr große Unterschiede. Zum Beispiel ist der Faschismus in der DDR viel früher aufgearbeitet worden im Kinderbuch. Das ist ja eigentlich ein tragischer Witz, wie spät sich dieser Thematik hier angenommen wurde. Bis Mitte der 70er Jahre gab es ca. fünf Titel, die sich überhaupt mit der Zeit des Faschismus auseinandersetzen.

Wie läßt sich Kindern diese Zeit klarmachen?

Ich hab die etwas wurschtige Einstellung: daß, was einem Kind passiert, muß man einem anderen Kind auch erzählen können. Ohne daß man so einen kleinen Menschen verletzt. Ein schönes Beispiel ist „Rosa Weiß“, ein Bilderbuch von einem kleinen Mädchen, mit ganz wenig Text, da

wird mit der Kraft der Bilder versucht, diese Zeit einzufangen. Das hat unglaubliche Diskussionen ausgelöst damals.

„Roter Elefant“. Wer ist das?

Im Gefolge der Studentenbewegung war man der Ansicht: Wenn man bestimmte Sachen verändern möchte, dann müßte man den Kindern einen Weltentwurf mitgeben, der sie zu den verändernden Maßnahmen besonders befähigt. Also: Wie sag ich's meinem Kinde, wo es hingehen soll. Und da wurde der „Rote Elefant“ als Alternative zu dem sehr angestaubten „Arbeitskreis für Jugendliteratur“ gegründet. Rot hatte natürlich schon was provokativ Sozialistisches. Es ging eben um eine emanzipatorische Kinder-und Jugendliteratur und auch um eine wissenschaftliche Begleitung.

Was sind das für Leute, die sich mit Kinderliteratur beschäftigen?

Nehmen Sie mich! Ich bin Mutter von fünf Kindern und Lehrerin, schreibe Rezensionen für Fachzeitschriften, Schwerpunkte: Mädchenbuch-Frauenrolle, und Indianer. Da gibt es in der DDR

auch einen grundsätzlich anderen Ansatz. Die DDR hat z.B. Indianer-Schriftsrellerinnen. Und im Gegensatz zu Karl May müssen da nicht immer alle Indianer Katholiken werden! Sogar der Hadschi-Halef-Omar kann ja zum Schluß das Vaterunser.

Welche Arbeitsgruppen gibt es auf der Tagung?

Eine über Indianer, unterdrückte Völker, dann über Faschismus, über historische Männer-und Frauenfiguren. Der Mann wird übrigens an Beethoven abgehandelt. Wir haben gedacht, nun kommt Kalle Marx, oder Lenin, aber nein, Beethoven. Die Frauenfigur ist Rosa Luxemburg.

Was möchten Sie von der Tagung profitieren?

Ich hoffe, wir bleiben gemeinsam am Ball und tauschen uns darüber aus, was wünschenswerte Kinder-und Jugendmedien sein könnten. Denn daran, „wie sag ich's meinem Kinde“, wird am deutlichsten, wie die jeweiligen Vorstellungen von Zukunft und Gegenwart aussehen. Int: clak

Heute, 20 Uhr, lesen DDR-AutorInnen, in der Villa Ichon, Goetheplatz

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