: Startschuß für den Wahlkampf in Nicaragua
Am 4. Dezember begann der offizielle Endspurt für die Präsidentschaftswahlen im Februar / Daniel Ortega rief zum „Volksaufstand gegen den Imperialismus“ an den Urnen auf / Der zurückgekehrte Ex-Volksheld Eden Pastora kandidiert für die christlichsoziale Partei ■ Aus Managua Ralf Leonhard
Denis Schwartz, der eines der bekanntesten Gesichter Nicaraguas sein Eigen nennt, wirkte etwas verlegen im neuen Look. Der dienstälteste Nachrichtensprecher im Sandinistischen Fernsehen, der bisher wie alle seine Kollegen leger im offenen Hemd aufgetreten ist, trägt seit 4. Dezember plötzlich Sakko und Krawatte. Abgesehen davon markierte der offizielle Beginn des nicaraguanischen Wahlkampfes kein einschneidendes Ereignis: Die wichtigsten Kandidaten sind schon seit Wochen auf Wahlkampftour. Die letzten 80 Tage der Wahlkampagne hat jede Partei oder Allianz Anspruch auf dreieinhalb Minuten Werbezeit. Die Spots können jedoch kaum mit den beliebten Seifenopern im anderen Programm konkurrieren. Wahlkampf in Nicaragua ist etwas, das sich auf der Straße abspielt. Jeder Campesino und jede Marktfrau will persönlich angesprochen sein. Deswegen läßt es sich Daniel Ortega auch nicht nehmen, in die Dörfer einzureiten, einen breitkrempigen Hut zu schwenken und mit Bauer und Bäuerin zu sprechen.
Den Startschuß für die Kampagne gab der Präsident jedoch in Managua, wo er Tausende von Anhängern „zu einem zweiten Volksaufstand“ aufrief, um „die Imperialisten“ am 25. Februar 1990, dem Wahltag, endgültig zu besiegen. Ortega bezog sich damit auf die US-Regierung, die die Oppositionsallianz UNO und ihre Präsidentschaftskandidatin Violeta Barrios de Chamorro mit mehreren Millionen Dollar unterstützt. Die UNO versuchte am Montag gar nicht erst, in Managua mit den Sandinisten zu konkurrieren. Frau Chamorro hatte am Samstag in Leon, der zweitgrößten Stadt, ihren Wahlkampf offiziell eröffnet. Neben den beiden Hauptkontrahenten Ortega und Chamorro gehen die restlichen sieben Kandidaten fast unter. In allen Meinungsumfragen kommen die anderen Parteien miteinander auf keine zwei Prozent. Zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten haben sich aber noch nicht festgelegt. Diese entscheidenden Wählerstimmen will sich Erick Ramirez mit seiner Christlichsozialen Partei (PSC) angeln. Als Wahlkampfmagneten hat er jetzt den früheren Volkshelden Eden Pastora eingespannt, der am Sonntag nach acht Jahren ins Land zurückkehrte. Stürmisch gefeiert wurde er nicht. Der ehemalige „Comandante Cero“, der eine wichtige Rolle im Befreiungskampf gespielt hatte und später zur Contra überlief, scheint sein Prestige verspielt zu haben.
Die fünf mittelamerikanischen Präsidenten haben sich inzwischen darauf geeinigt, am 10. und 11. Dezember zu einem Sondergipfel in Costa Rica zusammenzukommen. Auch El Salvadors Präsident Cristiani erklärte sich mit der Zusammenkunft in San Jose einverstanden.
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